Typisch deutsch:Wie die Bayern mit den Wimpern klimpern

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Auch der Ex-Trainer der Bayern, Niko Kovac, zwinkert gern. (Foto: dpa)

Unser Autor musste erst lernen, die verschiedenen Blicke der Bayern richtig zu deuten - vom Flirten bis zum entgeisterten Staunen.

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Zwei alte Freunde haben sich lange nicht gesehen, weil das Leben den einen nach Oberbayern verschlug und den anderen nach Mittelfranken. Manchmal whatsappen oder telefonieren sie und sagen dann nicht "Auf Wiederhören" sondern "Auf Wiedersehen". Zum Jahreswechsel soll es soweit sein. Die beiden alten Freunde wollen sich beim Sprechen sehen. Von Augapfel zu Augapfel.

Wenn sich die Bayern ansehen, trauen sie ihren Worten mehr über den Weg. Vielleicht sagen sie deshalb eher selten "Verstehst du es" sondern "siegst as" - siehst du es. Das Gegenteil habe ich drei Jahrzehnte mit auf den Weg bekommen. Ältere Nigerianer empfinden es häufig als unhöflich und respektlos, wenn jüngere ihnen in die Augen schauen. Zu viele Augen könnten das Objekt der Begierde mit einem Fluch belegen, so die Befürchtung.

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Ob in Nigeria oder in Deutschland, überall auf der Welt sind die Menschen unterschiedlich ausgestattet. Manche besitzen riesige Augäpfel, die einschüchternd auf einen wirken können oder so beeindruckend, dass man bei Augenkontakt dazu neigt, dem Träger dieser Augäpfel Überheblichkeit zu unterstellen. Andere wiederum haben Augäpfel einer Katze, die sehr hell und stechend wirken und den klaren Blick des Gegenübers verschwimmen lassen. Ich empfinde es als große Herausforderung, solchen Menschen in die Augen zu sehen. Genau wie in die Augen einer Frau. Es ist zu befürchten, dass einem dann unterstellt wird, ihre weibliche Schönheit zu bewundern.

In meiner Kindheit in Südwestnigeria lernte ich zwei Arten von Familien kennen. Ich beschönige nicht. Es gab Eltern, die ihre Kinder mit Prügeln darauf hinwiesen, Folge zu leisten. Und es gab Kinder, denen dies erspart blieb. Es reichte ein Blick in die Augen des Vaters oder der Mutter, um das Signal zu verstehen. Diese Eltern schimpften mit den Augen.

Die Bayern haben viele "Augenblicke": Das romantische Zwinkern, was Frauen manchmal als aufdringlich interpretieren. Das Absenken der Augenlider, was Enttäuschung signalisieren soll. Weit aufgerissene Augen stehen für Gefahr oder Freude, hier braucht es einen Zweitblick auf den Mund, um die Symbolik zu unterscheiden. Manche glauben gar, anhand der Augen zwischen Lüge und Wahrheit unterscheiden zu können.

Als Neuankömmling musste ich mich erst daran gewöhnen, es fiel mir nicht leicht. Manchmal sucht man über Whatsapp und Facebook schriftliche Auswege. Den Freunden in Franken und Oberbayern reicht das nicht. Sehen - und gesehen werden, könnte man sagen. Das ist so etwas wie ein ungeschriebenes Gesetz.

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Von Korbinian Eisenberger

Übersetzung aus dem Englischen: Korbinian Eisenberger

© SZ vom 27.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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