München:Strandgut Mensch

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"Kunst kann nicht nur dekorieren, sondern kann die Welt verändern." Das sagt Adler A. F., die zur Ausstellung Künstler aus aller Welt eingeladen hat. (Foto: privat)

Die Trash-Art-Künstlerin und Kunstprofessorin Adler A. F. widmet Asylbewerbern eine Ausstellung in der Galerie Luxese. Die Gesellschaft sollte deren Können zum eigenen Wohl nutzen, lautet ihr Credo

Von Renate Winkler-Schlang

Strandgut Mensch. Ein furchtbares Bild: Flüchtlinge, übers Meer gekommen, an Land gespült. Doch es steckt auch der Begriff Gut in dem Wort. Darum soll es gehen. Die Trash-Künstlerin und Kunstprofessorin Adler A. F. widmet in ihrer Galerie Luxese an der Berg am Laimer Burggrafenstraße 5 das Wochenende den Asylbewerbern, jedoch nicht wehklagend. Adler richtet das Augenmerk auf dieses Gut, das Potenzial der Menschen, auf ihre Ausbildung, ihre Fähigkeiten. Diese sollte die Gesellschaft nutzen, zu ihrem eigenen Wohle, so die Kernaussage der Ausstellung und des Rahmenprogramms.

Adler weiß, wovon sie spricht. Die ausgebildete Kunst- und Religionslehrerin hatte irgendwann keine Lust mehr auf Schule und Schüler und wechselte zum Sozialdienst für Asylbewerber. Ein Jahr lang wollte sie das machen. 13 engagierte Jahre sind es geworden an der Moosacher Triebstraße und an der Baierbrunner Straße - ehe sie das Gefühl hatte, sie sei dem Träger mit ihrer demokratischen Betreuung auf Augenhöhe, die die Flüchtlinge auch politisierte, vielleicht doch ein Dorn im Auge.

Inzwischen ist Adler längst Trash-Art-Künstlerin. Das Unangepasste, Kunst aus wiederverwertetem Material, das Berührende an der vermeintlichen Hässlichkeit, das ist ihr künstlerischer Kosmos. Die Künstler aus aller Welt, die sie als "Schirmfrau" eingeladen hat, müssen sich diesem Minimalkonsens verpflichten. Es sind unter anderem HP Berndl aus München, Xiong aus Peking, Kathy Kissik aus Miami, Brigitte Bella Meir-Wellner aus München oder Igor Kaschkuriewitsch aus Minsk, aber auch Flüchtlinge wie Aaron Belchi aus Mali, der eine verstörende Figur aus Binden und Verbandsmaterial geschaffen hat.

Sie alle hat sie eingeschworen auf ihre These. Dass Flüchtlinge auch Drogendealer sein könnten oder Anhänger des IS, das höre man oft genug andernorts. Diese Ausstellung lenke den Blick darauf, dass sie viel zu geben hätten. Eine These, mit der Adler für die Vernissage an diesem Freitag eine interessante Gäste-Truppe zusammentrommeln konnte. Oberbürgermeister Dieter Reiter wird das Grußwort sprechen. Martin Neumeyer, der Integrationsbeauftragte der bayerischen Staatsregierung, fungiert als Ehrengast. Der Bezirksausschuss-Vorsitzende Robert Kulzer (SPD) soll die Ausstellung eröffnen. Das Impulsreferat hält ein veritabler Prinz aus dem Benin: Claude Kaluma Wa Mukadi, S. H., Dah Vignon, den Adler von früher kennt. Sie plant eine Lesung aus Heribert Prantls aktueller Streitschrift "Im Namen der Menschlichkeit". Hilfe für die Organisation bekam sie vom Flüchtlingsrat.

Adler ist ein spontaner Mensch, der viel auf Erfahrung gibt: Sie erinnert an ihre Tante Marille, die 1947, damals 20 Jahre alt, aus dem bettelarmen und vom Krieg zerstörten Bayern mit ihrem Mann nach Amerika auswanderte. In der Rückschau, so sagt sie, sei die Integration dieser Wirtschaftsflüchtlinge am besten in den Ländern gelungen, die eine Willkommenskultur entwickelt und die die Motivation und Fähigkeiten der Zugewanderten zu nutzen gewusst hätten.

Adler untermauert ihre Aussagen auch mit Zahlen: Das Durchschnittsalter der Flüchtlinge sei 26 Jahre. Vielleicht sei das genau die "Verjüngungskur", die Deutschland doch eigentlich so dringend brauche. Ihre "ART-gerechte" Annäherung beginnt mit dem Titel der Ausstellung: "Asyl 2015: Strandgut Mensch - wir sind Realisten, verwirklichen wir das Unmögliche". Sie kennt ein Beispiel eines Zahnarztes, der einen syrischen Zahnarzt bei sich hospitieren lässt, solange dessen Asylverfahren läuft. Sie verweist auf Lehrer, Ingenieure oder Handwerker in diesem Strandgut, "jung, motiviert, pfiffig, gebildet und kinderreich", die untätig in den Unterkünften die Tage verbringen müssten, anstatt zu lernen, zu arbeiten, zu kommunizieren. Künstler unter den Flüchtlingen sieht sie als Ebenbürtige: "Es gibt im kreativen Tun eine Ebene, die für alle gilt", sagt sie. Das bringe Spaß und habe dabei eine heilende Wirkung. "Die Kunst ist frei, der Geist ist frei, lassen wir die Menschen frei, damit sie ihr Potenzial ausschöpfen können", so ihr Appell. Sie geht noch weiter: "Am Ende wissen die Kreativen, dass Deutschland und Europa die Flüchtlinge mehr brauchen als sie uns."

Weil sie natürlich auch provozieren will, stellt sie Sätze in den Raum wie den vom "Mittelmeer, in dem Flüchtlinge umkommen, die von Fischen gefressen werden, die als Delikatesse auf unseren Tellern landen". Aber sie sagt auch Optimistisches: "Kunst kann nicht nur dekorieren, sondern kann die Welt verändern."

Eröffnung ist an diesem Freitag, 20 Uhr. Zu sehen ist die Ausstellung auch am Samstag und Sonntag jeweils von 15 bis 18 Uhr, jeweils um 16 Uhr mit Künstlergesprächen und um 17 Uhr mit Lesung.

© SZ vom 03.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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