Star Wars:"Ein echt epischer Moment in meinem Leben"

Lesezeit: 4 min

Lars Böhl (Mitte), im Mathäser-Kino Seite an Seite mit Veit (links) und Benedikt Gallitz - die drei haben sich einen Traum erfüllt. (Foto: Robert Haas)

16 Jahre lang haben Lars Böhl und seine Freunde an ihrem "Star Wars"-Fan-Film gearbeitet. Bei der Premiere im Mathäser-Kino feiern zahlreiche Jedi-Anhänger mit ihnen.

Von Thomas Becker

Wie ferngesteuert tigert der schlaksige 50-Jährige durch die Stockwerke des Mathäser-Kinos, drückt hier die Hand einer Prinzessin, klopft dort auf die Schulter eines Stormtroopers, schaut kurz beim Lichtschwerter-Stand vorbei, rennt aber immer weiter, rastlos. Er hat noch so viel im Kopf, und es ist einfach verdammt viel los zu dieser späten Stunde, nach der letzten regulären Vorstellung: 700 Gäste füllen den (m)K6, einen der größten Kinosäle Deutschlands, bis auf den letzten Platz, und letzten Endes sind sie alle wegen ihm gekommen.

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Für Lars Böhl ist am vergangenen Samstag kurz vor Mitternacht, genau gesagt um 23.40 Uhr, ein Traum in Erfüllung gegangen. Nein, das ist keine Floskel, sondern nichts als die Wahrheit. Wer das nicht glaubt, hat Lars Böhl in den Stunden und Jahren davor nicht erlebt. Später auf der Bühne wird er als Mastermind vorgestellt werden, als "unser George Lucas, der uns alle so lange bei der Stange gehalten hat". Und damit endlich willkommen bei der Weltpremiere von "Descendants of Order 66", einer "Star Wars"-Fanfilm-Serie, die es nach Dreharbeiten über 16 Jahre hinweg dann doch noch ins Kino geschafft hat.

"Star Wars" selber drehen? Wie kommt man denn auf so eine Idee? Nun, Lars Böhl und seine Kumpels Veit und Benedikt Gallitz waren jung, sie brauchten kein Geld, sondern hatten einfach Lust darauf. Bei einem Djerba-Urlaub hatten sie einen Ausflug zu der tunesischen Heimat von Luke Skywalker unternommen, der dort 1977 dank Regisseur George Lucas das Licht der Kino-Welt erblickt hatte. Niemand ahnte, dass Lucas da die weltweit erfolgreichste, bekannteste und wirkmächtigste Filmreihe losgetreten hatte. Böhl filmte mit einer alten Kamera ein bisschen herum und wusste: "I'll be back!" Der nächste Urlaub ging wieder nach Tunesien, und das Schicksal nahm seinen Lauf. Aus einem Nachmittag Dreharbeiten wurden drei Tage, denen in den kommenden Jahren unendlich viele weitere folgen sollten.

In passender Kulisse: Szene mit einem Stormtrooper, deren Anzüge unter anderem aus Farbeimern und Abflussrohren gebastelt sind. (Foto: privat)

Eine leer stehende Fabrikhalle in Höhenkirchen (Landkreis München) mutiert zum Sternenzerstörer, gezimmert aus Sperrholz und Gipsplatten. Aus Klobürsten-Halterungen, Bauchpolstern, Farbeimern und Abflussrohren entstehen Stormtrooper-Anzüge. Belgische Gleichgesinnte basteln einen Jabba aus Pappmaché in Lebensgröße. Landschaftsaufnahmen werden im Urlaub gedreht: Malaysia, China, Comer See, aber auch Zugspitze und Hintertuxer Gletscher. Und was soll man nach den zwei Stunden im Mathäser sagen? Klar sieht auch der Laie, dass das keine Hollywood-Produktion ist, aber für die Arbeit von Amateuren wirkt das Ergebnis schon sehr professionell.

Die Szene mit einem Snowtrooper. (Foto: privat)

"Der Film ist natürlich nach wie vor nicht perfekt", sagt Böhl, "mir fallen noch Hunderte von Szenen ein, an denen ich locker nochmal fünf Jahre verbringen könnte, bis sie so gut aussehen, dass sie auch mir gefallen. Mein Papa sagte aber: 'Du musst mal irgendwann die 90-Prozent-Version rausbringen, weil für die 100-Prozent-Version brauchst du nochmal zehn Jahre!'" Papa hat natürlich recht, das weiß auch Böhl: "Mir war so wichtig, diesen Film jetzt endlich rauszubringen, auch als Dankeschön an alle, die mitgemacht haben." Man sehe dem Film die Jahre schon an: Die Qualität der Aufnahmen wechselt, weil Böhl über die Jahre mehrmals die Kamera gewechselt hat. "2006 hatte ich eine der ersten HD-Kameras, die zwar teuer, aber nicht so lichtempfindlich war, es hat auch gerauscht wie nur was." Was man auch sehe: "Die Schauspieler haben sich im Laufe der Zeit verbessert." Seine Angst, dass die Darsteller über die Jahre grau und rund werden würden: unbegründet. Das Ganze sei halt ein Amateurprojekt - da müsse man über einiges hinweg sehen.

Die Verkörperung des Bösen: Darth Vader. (Foto: privat)

Was sich in all den Jahren kaum geändert hat, ist der Plot: Galve Mepur vom Planeten Naboo weiß nicht, dass er ein Jedi ist, will wissen, wer seinen Vater ermordet hat, sucht und findet den desertierten Klonkrieger Tio Man, der den Vater damals verschont hat, aber Darth Vader ist den beiden natürlich längst auf der Spur... Das Schnaufen des bösen Schwarzen haben Böhl & Co. im Film übrigens exzellent hinbekommen.

Da es sich um ein Liebhaberprojekt handelt, mit dem kein Geld verdient werden darf, stellt Böhl sein Werk nun ins Netz: Seit Mittwochfrüh, neun Uhr, ist die erste von sechs Folgen auf Youtube zu sehen, jede Woche kommt eine weitere dazu. "Die heutige Generation schaut sich ja auf Youtube nicht mehr einen zweistündigen Fan-Film an", erklärt Böhl, "und da das Serienformat mittlerweile auch im "Star Wars"-Universum gang und gäbe ist, haben wir den Film so geschnitten, dass wir in sich abgeschlossene Geschichten haben, samt Cliffhanger für die nächste Folge." Böhls Wunsch: dass sich "Star Wars"-Podcasts damit befassen und dass wie bei den großen Filmen richtige Diskussionen unter den Fans entstehen.

Die Maske des Jedi-Meisters Yoda: Das meiste an Kostümen und Requisiten ist selfmade. (Foto: privat)

Die Fans: Es ist in der Tat ein herrlicher Anblick, der sich da im Mathäser bietet. Jede Menge Lichtschwertträger, einige Obi-Wans, blauzopfige Ahsoka Tanos, ein paar Vertreter der dunklen Seite der Macht, zig Prinzessinnen Leia mit der typischen Schnecken-Frisur, ein C-3PO, aber kein R2-D2, kein Chewbacca, auch die paar versprengten Han Solos können dem coolen Harrison-Ford-Original nicht das Wasser reichen. Dennoch, um mit Böhls Worten zu sprechen: "Dass so viele Leute gekommen sind! Und in so geilen Kostümen: Hammer! Ein echt epischer Moment in meinem Leben."

Obwohl er nicht so viel mitbekommen hat, wie er gesteht: "Ich war wie in einem Tunnel. Gefühlt hab ich tausend Leute gesehen - und mich mit keinem richtig unterhalten. Das war wunderschön und furchtbar zugleich. Ein guter Freund meinte: ,Du wirst diesen Abend erleben wie die meisten Hochzeitspaare. Auf einmal ist alles vorbei, und du fragst dich: Wo war ich eigentlich?!' In der Tat ist der Abend wie im Hyper-Raumsprung an mir vorbei gerast. Das Licht brannte nur kurz, aber wie strahlend hell!"

Strahlend hell: das Lichtschwert, ein unverzichtbares Requisit. (Foto: privat)

Auch nach der Vorstellung, gegen zwei Uhr nachts, ist diese seit Jahresbeginn sorgsam geplante Premieren-Feier noch lange nicht zu Ende: Afterparty im Alte Börse Club, dem ehemaligen Heart. Böhl dachte: "Um diese Zeit geht doch kein Mensch mehr mit. Denkste! Bestimmt 200, 300 Leute kamen noch mit. Und dann hat der DJ auch noch die legendäre Cantina-Musik gespielt: der perfekte Throwback!" Um fünf Uhr war er schließlich im Bett, "total erschöpft, aber glücklich". Am Tag danach kam, was kommen musste: Premieren-Blues.

Seit Sonntag ist Lars Böhl nun nämlich in Filmemacher-Rente, hat nur noch seinen IT-Job, seine Frau und seine zwei kleinen Kinder. Kommt jetzt nach seinem Zehn-Stunden-Job nicht mehr heim, um nach ein wenig Familienzeit spät abends im Keller wieder den Rechner hochzufahren und noch ein paar Stunden lang Spezialeffekte in seinen Film zu basteln. "Das war teilweise schon erschöpfend und auch nicht immer schön", erzählt der George Lucas der Amateurfilmer, "ich hätte gern mal ein Buch gelesen oder eine Serie geschaut, dachte aber: 'Machste alles, wenn der Film fertig ist.'" Dann mal los! Auf Youtube soll gerade so eine sehenswerte sechsteilige Serie laufen...

Hinweis der Redaktion: In einer früheren Fassung hieß es, jener 700 Gäste fassende Saal in den Münchner Mathäser-Kinos sei Deutschlands größter Kinosaal. Tatsächlich weisen die Lichtburg in Essen sowie der Zoo-Palast in Berlin noch größere Säle auf.

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