Münchner Momente:Reiter hier, Reiter da

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Wanderbaumallee beim Wandern: Green-City-Aktivisten auf dem Weg vom Arnulfpark in die Schwanthalerstraße. (Foto: Catherina Hess)

Vorbild Wanderbaumallee: Das Rathaus verkündet eine brillante Idee, wie sich die Aufenthaltsqualität in den Münchner Vierteln verbessern lassen könnte. Vielleicht ist aber alles nur ein Missverständnis.

Glosse von Stefan Simon

Im Wort Qualität steckt die Qual schon drin. Das wird immer wieder deutlich, vor allem in den großen Städten. Unentwegt versuchen Forscher herauszufinden, in welcher Metropole die Lebensqualität denn nun am größten sei; all diese Rankings sind eine Qual für sich. Je nachdem, wer die Daten erhebt, hat entweder München die Nase vorn (was ein nachvollziehbares Ergebnis ist) oder eben eine andere Stadt (was auf methodische Schwächen der Studie hindeutet). Über das Abschneiden entscheiden viele Faktoren, doch auf die meisten hat eine Stadt keinen Einfluss. Anders bei der Aufenthaltsqualität, hier kann man immer etwas optimieren, und das Rathaus hatte da nun offenbar eine brillante Idee: "Aufenthaltsqualität verbessern - OB Reiter vor Ort", so steht es in der Rathaus-Ums chau.

Der Oberbürgermeister verspricht: "Ich werde mir einige Stunden Zeit nehmen", und man kann ihm diesen Einsatz gar nicht genug danken. Meistens stellt die Stadt nur ein paar Pflanztröge und Sitzbänke auf, wenn irgendwo die Aufenthaltsqualität verbessert werden soll. Und jetzt also auch den Oberbürgermeister? Der Verein Green City macht seit Längerem vor, wie das geht. Wo die Straßen besonders trist sind, hilft er für ein paar Wochen mit seiner "Wanderbaumallee" aus: 15 Bäume, die in großen Kübeln stecken und auf Rollbrettern von Stadtviertel zu Stadtviertel geschoben werden, aktuell stehen sie in der Blutenburgstraße. Man kann sich Dieter Reiter direkt vorstellen, wie er auf einem Rollbrett steht und ebenfalls von Viertel zu Viertel geschoben wird. Rent a Reiter, quasi.

Eine coole Idee, die nur einen Nachteil hat: Der OB hat in Wahrheit andere Pläne. Beim genaueren Lesen stellt sich heraus, dass er vor Ort über eine Verbesserung der Aufenthaltsqualität reden, nicht aber Teil davon werden will - das spricht für ihn, trotzdem ist es eine vertane Chance. Von der Polizei weiß man, dass sie leere Streifenwagen an besonders gefährlichen Kurven und Kreuzungen parkt. Beamte stellen den Wagen morgens ab, versetzen ihn mittags und fahren ihn abends zurück auf die Wache. Zwischendurch sitzt kein Polizist in dem Wagen, aber die Autofahrer bremsen auch so. Vielleicht wäre das ein Kompromiss: Das Rathaus könnte für jeden Stadtteil eine lebensgroße Reiter-Pappfigur anschaffen und sie mal hier, mal dort aufstellen. Ob das hilft? Nach dem nächsten Städteranking wüsste man sicher mehr.

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