Ernährung:Die bäuerliche Seite der Stadt

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Aus eigener Aufzucht: Das Fleisch für die Ochsensemmeln auf dem Oktoberfest stammt vom Gut Karlshof. (Foto: Robert Haas)

Gut möglich, dass jeder schon einmal Münchner Lebensmittel gegessen hat. Ökologisch hergestellt sind aber noch nicht alle

Von Anna Hoben

Mehr als ein Jahrhundert ist es her, dass die Stadt anfing, Ackerland zu kaufen. Mit dem Gut Karlshof in Ismaning fing es 1899 an, "Hintergrund war damals die Lebensmittelversorgung für die Altenheime und Krankenhäuser", sagt Alfons Bauschmid, zweiter Werkleiter der beim Kommunalreferat angesiedelten Stadtgüter München. Heute ist die Stadt Eigentümerin von zehn Gutsbetrieben in und um München. Acht Betriebe sind mittlerweile auf ökologische Erzeugung umgestellt. Sie wirtschaften nach den Richtlinien des ökologischen Landbaus und sind anerkannten Anbauverbänden wie Bioland oder Naturland angeschlossen. Damit dürfte die Stadt München der größte Biobauer in Bayern sein, wie Alfons Bauschmid sagt.

Dass die Stadt selber Getreide und Kartoffeln anbaut, dass sie Ochsen aufzieht - viele Münchnerinnen und Münchner wissen das gar nicht. Die zehn Betriebe haben eine Gesamtfläche von 2800 Hektar, von denen 1600 von den städtischen Gütern selbst bewirtschaftet werden. Dazu kommen Wald, Wege, Gewässer und ökologische Ausgleichsflächen, die Lebensräume für Flora und Fauna sichern, wenn anderswo in der Stadt ein neues Baugebiet entsteht. Knapp 1000 Hektar sind verpachtet. 42 Mitarbeiter und fünf Auszubildende arbeiten bei den städtischen Gütern. Bei sieben Millionen Euro Umsatz pro Jahr machen diese meist sogar einen Gewinn.

Auch wenn viele Münchner die bäuerliche Seite der Stadt nicht kennen - dass sie schon einmal ein städtisches Produkt gegessen haben, ist gut möglich. Mehl zum Beispiel aus einer Mühle, die mit Getreide von der Stadt beliefert wurde. Oder eine Ochsensemmel auf dem Oktoberfest - das Fleisch stammt vom Gut Karlshof. Nach Bio-Kriterien aufgezogen werden die Ochsen allerdings nicht - das Gut Karlshof ist, genau wie das Gut Dietersheim, noch nicht auf ökologische Erzeugung umgestellt. Der Wechsel sei wirtschaftlich schwieriger, sagt Bauschmid. Gemeinsam mit der Technischen Universität prüft die Stadt aber zurzeit die Möglichkeiten. Ende des Jahres soll der Stadtrat eine Entscheidung treffen. Vielleicht können Wiesn-Gäste also bald in Bio-Ochsensemmeln beißen.

Als Bauschmid 1990 anfing, war es seine Aufgabe, die ersten Betriebe auf Ökolandbau umzustellen: Gut Beigarten und Obergrashof. Die Stadt ließ das Projekt wissenschaftlich begleiten und den Effekt auf Flora und Fauna untersuchen. "Das hat sich ökologisch sehr positiv ausgewirkt", sagt Bauschmid. Von anderen Landwirten sei man damals schon "sehr besonders beobachtet worden". Längst hat sich das komplett geändert, Öko-Landwirtschaft ist nichts Außergewöhnliches mehr. Nach und nach stellte die Stadt weitere Betriebe um. Seit 2012 verwenden die städtischen Güter auch im konventionellen Landbau kein Glyphosat mehr, seit 2018 verzichten sie auf die sogenannten Neonikotinoide.

Besonders gern hat Alfons Bauschmid Projekte wie die Karutgärten. An acht Standorten können die Münchner eine von 600 Parzellen mieten. In der Pandemie werden die Wartelisten noch länger - die Menschen kochen viel selbst und beschäftigen sich intensiver mit ihrer Ernährung. Neu ist in diesem Jahr das "Kistengarteln", bei dem die Stadt 18 Hochbeete zur Verfügung stellt. Seit vielen Jahren beliebt ist die Aktion auf Gut Riem, bei der man im September selber Kartoffeln klauben kann.

Wie viele Münchner man ernähren könnte mit den städtischen Produkten, das hat Alfons Bauschmid nie überschlagen. "Es wäre marginal." Für ihn ist klar: "Die Stadt wird sich nicht selbst ernähren können, auch nicht mit allen Möglichkeiten von Urban Gardening." Er hält es vor allem aus anderen Gründen für wichtig, die landwirtschaftlichen Flächen zu erhalten: für Biodiversität, Naherholung, Klimaschutz - und um Landwirtschaft für Städter erlebbar zu machen.

© SZ vom 27.05.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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