München:Sonnwende im Pool

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In der Akustik des früheren Schwimmbads wollen Fabian Gutscher und Stefan Stefinsky die Möglichkeiten der elektronischen Klangerzeugung ausloten. (Foto: Florian Peljak)

Der Münchner Saxofonist Stefan Stefinsky und der Schweizer Soundtüftler Fabian Gutscher improvisieren für das Projekt "Equinox" im ehemaligen Privatbad des Kleiderfabrikanten Kuszner

Von Renate Winkler-Schlang

Blaues Mosaik im Becken, an der Rückwand orangefarbene Fliesen, darauf eine tickende Uhr, die Seitenwände hellgrün, die Rohre an der Decke sichtbar: In dieses leer stehende Schwimmbad hat Fabian Gutscher einen Lautsprecher gestellt und ein Mikrofon. Dieser skurril-verwunschene Raum und vor allem sein ganz besonderer Klang werden eine wichtige Rolle spielen in dem Konzert, das Gutscher zusammen mit Stefan Stefinsky am 26. Februar geben wird.

In dem Privatpool hat der Kleiderfabrikant Kuszner sich fit gehalten. Jetzt ist das Bad Teil der in der früheren Fabrik entstandenen Künstler-Genossenschaft "Kunstwohnwerke" an der Berg am Laimer Streitfeldstraße. Es für Veranstaltungen zu nutzen, ist schwierig, mit rigiden Sicherheitsbestimmungen nicht kompatibel. Bei dem Konzert werden die Besucher es auch gar nicht betreten, es nicht einmal zu sehen bekommen. Aber sie werden es hören.

Möglich macht das Fabian Gutscher. Der 33-jährige Schweizer Musiker und Medienkünstler kennt das blaue Becken bereits, er hat für das dort von Caitlin van der Maas produzierte Stück "Face me" den Klang entwickelt, offiziell eine Privatveranstaltung. Ein Kabel hat ihn mit Stefan Stefinsky zusammengebracht. Dieses fehlte Gutscher bei "Face me", und der Saxofonist Stefinsky, der die Kunstwohnwerke maßgeblich mit initiiert und aufgebaut hat und dort auch lebt und arbeitet, konnte ihm spontan das passende Teil leihen. Man war sich sympathisch. "Lass uns mal jammen", beschlossen der junge Tüftler mit seinem elektronischen Equipment und der jung gebliebene Musiker mit seinem schönen, alten Instrument und seiner großen Erfahrung.

Das machte den beiden so viel Freude, dass Stefinsky ihn in sein Projekt "Equinox" integrierte: Vier Mal im Jahr, immer zur Sonnwende, und immer an einem anderen Ort in der Stadt mit jeweils anderen Partnern greift Stefinsky den Rhythmus der Natur auf und verbindet ihn mit dem der Musik. Gutscher habe sich dabei sensibel integriert mit seiner Elektronik, habe "nicht einfach den Beat hingeknallt".

Nun also wollen sie gemeinsam die Möglichkeiten der elektronischen Klangerzeugung und Klangmanipulation ausloten. Stefinsky öffnet und schließt rhythmisch die Klappen seines Instruments, ohne hineinzublasen. Dann tippt er mit den Fingern an dessen Seite. Zwei hoch empfindliche Mikros nehmen beides auf, eines oben und eines unten am Saxofon. Ein paar Sekunden und ein paar sanfte, konzentrierte Drehungen Gutschers an seinen vielen Mischpultknöpfen später kommt dieser Rhythmus verstärkt aus dem Schwimmbad zurück. Und Stefinski kann zu diesen gerade noch selbst erzeugten Schlägen mit einer Melodie improvisieren. So wird das Saxofon zum Percussion-Instrument. Immer wieder aufnehmen, immer wieder wiedergeben, so macht Gutscher den Klang des Schwimmbad-Raumes im Aufführungsraum spürbar. "Es werden die Eigenfrequenzen angeregt und der Raum beginnt zu singen", sagt Stefinsky. Auch ein Husten aus dem Publikum kommt von dort wieder zurück, nichts geht unter. "Erinnerungsmaschine": Ein poetisches Wort hat Gutscher für diesen Vorgang des wiederholten und doch immer wieder veränderten Wiedergebens gefunden.

Im Projektraum Streitfeld haben sie nicht nur zum Proben den Misch-Tisch und die Mikrofone in die Mitte gerückt: Das soll auch bei der Aufführung so sein, das Publikum soll durch den Raum gehen können, in dessen vier Ecken die Lautsprecher stehen, denn auch die Position im Raum verändert den Eindruck der Musik. Und es ist Musik. Stefinsky beherrscht die Kunst der Improvisation - nun eben zu den zuvor selbst erzeugten Bausteinen. "Es ist anders." Mehr Konzentration als sonst erfordere es aber nicht, sagt er. Er wolle ja nicht wie ein Schachspieler den übernächsten Zug schon seinen übernächsten, hin und wieder her transferierten Klang antizipieren. Auch wenn die Töne ursprünglich von ihm selbst kamen, reagiert er spontan. "Ich dirigiere quasi ein Orchester mit dem Solisten Stefinsky", ergänzt Gutscher. Die beiden sehen ihre Rollen ebenbürtig, die Elektronik sei aber mehr als ein weiteres Instrument.

Sie haben das intensiv ausprobiert miteinander und befunden, dass diese Art von Musik durchaus genügend Potenzial bietet für einen ganzen, abwechslungsreichen Abend. Sie haben ein paar Muster festgelegt, ein paar Knotenpunkte fixiert, eine Art Dramaturgie. Der Rest kommt spontan. Sie sind offen für unerwartete Klangräume, für "Unerhörtes", wie sie sagen.

Die Künstler sind froh, dass die Kunstwohnwerke diesen Rahmen bieten. Den vom Verein "Genius Loci" hier zur Verfügung gestellten Projektraum können sie bereits zum Proben unter realen Bedingungen nutzen. Die dort regelmäßige stattfindende Reihe "Akustronik" sei genau das richtige Format für das Konzert. Und, auch das ist wichtig: Gutscher kann so lange im Gästeappartement der Kunstwohnwerke mietfrei wohnen. Mit Pool sogar.

Das Duo GutscherStefinsky ist zu hören im Projektraum, Streitfeldstraße 33, am Freitag, 26. Februar, 20 Uhr. Tickets für zehn Euro an der Abendkasse.

© SZ vom 19.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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