Neuer Aktionsplan:München geht gegen geschlechtsspezifische Gewalt vor

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Die Stadt plant ein Bündel von Maßnahmen gegen häusliche Gewalt und Gewalt gegen Frauen. (Foto: Catherina Hess)

Die Stadt forciert mehr Plätze in Frauenhäusern, Warnungen vor digitaler Gewalt und will ein Bewusstsein für das Thema schaffen - damit Morde an Frauen nicht mehr als "Familiendrama" verharmlost werden.

Von Joachim Mölter

Die Stadt München will in den nächsten drei Jahren mit einem Bündel von Maßnahmen gegen geschlechtsspezifische Gewalt vorgehen. Einen entsprechenden Aktionsplan präsentierte die Zweite Bürgermeisterin Katrin Habenschaden (Grüne) am Montag. Der Sozialausschuss soll den Plan in seiner öffentlichen Sitzung am Donnerstag behandeln, der Stadtrat ihn dann am Mittwoch nächster Woche absegnen. "Für mich ist der Aktionsplan der wichtigste gleichstellungspolitische Beschluss, den der Stadtrat in diesem Jahr fassen wird", sagte Habenschaden.

"Es geht um ganz konkrete Verbesserungen für Menschen, die von geschlechtsspezifischer Gewalt betroffen sind", erläuterte die Bürgermeisterin. Das seien vor allem Frauen und Mädchen, aber auch Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender sowie Menschen, die sich als queer oder non-binär fühlen. Weil geschlechtsspezifische Gewalt in der Regel von Männern ausgeht, "müssen wir unsere Jungs und jungen Männer sensibilisieren und erziehen", forderte sie. Ziel sei "eine Veränderung der Verhaltensmuster".

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Anlass für die Entwicklung des Plans war die Istanbul-Konvention, mit der die Europäische Union häusliche Gewalt und Gewalt gegen Frauen bekämpfen will. Die völkerrechtlich bindende Vereinbarung ist 2018 auch von Deutschland ratifiziert worden und hat Auswirkungen bis hinunter auf die lokale Ebene. In München glaubt man sich in einer guten Ausgangsposition, weil viele Einrichtungen und Strukturen bereits vorhanden sind. Deshalb sei es darum gegangen, "Lücken zu identifizieren und Schwerpunkte herauszukristallisieren", wie Habenschaden sagte.

Nicole Lassal, die Gleichstellungsbeauftragte der Stadt, führte die verschiedenen Handlungsfelder auf. Der Schwerpunkt der Arbeit liegt auf der Vorbeugung von Gewalttaten, Grundlage dafür ist eine Kampagne, um überhaupt ein Bewusstsein für das Thema zu schaffen. In Deutschland werden jährlich rund 300 Frauen aufgrund ihres Geschlechts umgebracht, "eine große Opfergruppe, die in der Öffentlichkeit nicht wahrgenommen wird", wie Lassal feststellte. Solche Tötungsdelikte oder Femizide werden in den Nachrichten immer noch als "Familiendrama" oder "Eifersuchtstragödie" verharmlost.

Den Frauen, die von häuslicher Gewalt bedroht sind, sollen im Zuge des Aktionsplans sichere Orte zur Verfügung gestellt werden. Die bislang vorhandenen 80 Plätze in den drei hiesigen Frauenhäusern werden zu diesem Zweck aufgestockt. Zwei weitere Einrichtungen mit 24 beziehungsweise 18 Plätzen sind in Planung, speziell für suchtkranke oder psychisch erkrankte Frauen. "Wir haben diese Frauen im Moment bei uns, aber wir sehen, dass wir sie nicht adäquat betreuen können", sagte Sibylle Stotz, die mit ihrem Verein "Frauen helfen Frauen" eins der etablierten Häuser betreibt.

Stotz wies zudem auf den Anstieg der digitalen Gewalt hin, die Zunahme von Cyber-Mobbing, die Verbreitung von Kinder-Pornographie im Netz. Auch in dieser Hinsicht gelte es, geschlechtsspezifischer Gewalt entgegenzuwirken. Da habe sich "ein riesiges, gruseliges Feld aufgetan und durch die Corona-Pandemie noch verstärkt", so Stotz. "Während der Pandemie saßen alle zu Hause an den Geräten, und die Eltern wissen oft gar nicht, was sich ihre Kinder da anschauen."

Ebenso notwendig wie die Aufklärungsarbeit sei aber auch eine technische Beratung: Vielen von ihren aktuellen oder ehemaligen Partnern verfolgten Frauen sei gar nicht bewusst, wie einfach sie über ihr Smartphone ausfindig gemacht werden könnten. Insofern sagt Sibylle Stotz über den vielfältigen Aktionsplan: "Die Praxis begrüßt das!"

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