München:Santiagos Kreuz

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Es war wohl nicht Zerstörungswut, sondern eine stramme Windböe, die das Kruzifix von seiner steinernen Säule im Park von Schloss Blutenburg fegte. Das sogenannte Cruceiro ist ein Geschenk der spanischen Region Galicien an die Landeshauptstadt

Von Jutta Czeguhn

Jakobus, der Apostel, ist noch da. Er sitzt auf einer kleinen Kanzel am Schaft der Säule, den Pilgerstab in der linken Hand und blickt nach Südwesten. In etwa diese Richtung müsste man sich vom Schlosspark der Blutenburg, wo der steinerne Heilige ausharrt, auf den Weg machen und sehr gut zu Fuß sein, um nach Santiago de Compostela zu kommen. Aus dieser Gegend, aus dem nordspanischen Galizien, stammt der Cruceiro, ein Wegekreuz, das wohl seit dem 8. März nur noch als etwa zwei Meter hohe Säule dasteht. Das Kapitell mit dem steinernen Kruzifix ist verschwunden.

Per Notruf hatte ein Passant die Pasinger Polizei auf die vermeintliche Kreuzschändung im Blutenburg-Park auf Höhe der Hofbauernstraße aufmerksam gemacht. Er habe drei Jugendliche weglaufen sehen, berichtete er den Beamten. Ob sie jedoch mit der Tat etwas zu tun hatten, konnte er nicht sagen. Eine Polizeistreife, welche die Jungen im Alter von 15 und 16 Jahren anhielt und befragte, konnte ihnen die Tat nicht nachweisen. Also erfolgte Anzeige gegen unbekannt.

Die Inschrift am Sockelverweist auf den Stifter, die "Xunta de Galicia". (Foto: Privat)

Die in den Medien veröffentliche Nachricht der Polizei alarmierte wiederum die Peña Galega de Munich, die galicische Landsmannschaft in München. Vertreter des 1979 gegründeten Vereins machten sich sofort in den Schlosspark zum Cruceiro auf, um nach dem Schaden zu sehen. Das Steinkreuz, man kann es in den Inschriften am Sockel je in galicischer und deutscher Sprache nachlesen, ist ein Geschenk der "Xunta de Galicia" an das Land Bayern aus dem Jahr 1983. Galicien ist eine von 17 autonomen Regionen Spaniens. Auffallend an der Inschrift ist, dass "Xunta de Galicia" in der deutschen Inschrift auf der Sockelrückseite unübersetzt blieb. Womöglich wollten die Stifter damit kein politisches Fass aufmachen und das heikles Thema Separatismus umgehen. Es bleibt also dem Betrachter überlassen, wie er "Xunta" ins Deutsche überträgt. Regierung, Regionalregierung oder Landesregierung? Vielleicht war auf dem Sockel aber auch nur zu wenig Platz für deutsche Bandwurmwörter.

Die Schlösser- und Seenverwaltung geht von einem Sturmschaden aus. (Foto: Privat)

Dass das steinerne Kreuz überhaupt seinen Weg nach Obermenzing fand, hat nach Recherchen der Bürgervereinigung Obermenzing ( Obermenzinger Bilder, Ausgabe 43) mit dem Münchner Oktoberfest zu tun: Die Peña Galega de Munich hatte den damaligen galicischen Präsidenten Gerardo Fernández Albor (1917-2018) zur Wiesn eingeladen, weil auch eine galicische Trachtengruppe am traditionellen Wiesn-Festzug teilnahm. Der Verein hatte ihn daraufhin gebeten, als Dank für die Münchner Gastfreundschaft eines der typischen galicischen Steinkreuze zu stiften. Am 20. September 1983 um exakt 18 Uhr wurde es also im Blutenburgpark aufgestellt, wo die Peña Galega de Munich dann alljährlich im Juli das Fest zu Ehren von Santiago feierte.

Was es mit dem Cuceiro auf sich hat, teilte Maite Rubio Gonzáles, Präsidentin der galicischen Landsmannschaft München, der Bürgervereinigung 2004 mit: "Der Cruceiro ist ein aus Stein gehauenes Kruzifix-Denkmal, das in Galicien an Wegkreuzungen, in Kirchengeländen und Friedhöfen zu finden ist. In Galicien gibt es viele Mythen und Legenden zu den Ursprüngen der Cruceiros. So vertreten einige Ethnologen die These, die Ursprünge der Cruceiros seien bereits in vorchristlicher Zeit zu suchen; An den heutigen Standorten der Cruceiros standen bereits zur Bronzezeit Menhire, die dann mit dem Einzug des Christentums durch die Steinkreuze ersetzt wurden. Diese These ist sehr umstritten." Tatsache ist laut Maite Rubio Gonzáles allerdings, dass viele Cruceiros an Orten stehen, denen man bereits im heidnischen Glauben heilende Wirkung zugesagt hatte, und an Orten, an denen man Hexenvereinigungen und die sogenannte Santa Compaña vermutete. Diese Orte sollten durch das Aufstellen der Cruceiros christianisiert werden. "Die Cruceiros wurden von Gläubigen aufgestellt, die dadurch ihre Demut und ihren Glauben zeigen wollten. Der Cruceiro sollte außerdem den anreihenden Häusern Schutz vor Krankheiten und Flüchen bieten." Heute, so Rubio Gonzáles, würden Cruceiros oft zu dekorativen Zwecken und als Zeichen der Traditionsverbundenheit aufgestellt.

Bei ihrer Recherche, was mit dem Blutenburger Cruceiro geschehen sein könnte, landeten die Mitglieder der galizischen Landsmannschaft schließlich bei der Bayerischen Schlösser- und Seenverwaltung, zu deren Zuständigkeitsbereich Schloss Blutenburg gehört. Dort hat man die These, so Sprecherin Franziska Wimberger, dass das Steinkreuz nicht mutwillig zerstört wurde, sondern dass die Stürme, die Anfang März über München hinwegfegten, die Ursache für den Fall des Kruzifixes waren. "Wir gehen davon aus, dass starke Windböen den großen Kreuzbalken abgebrochen haben. Der abgebrochene Teil des Granitkreuzes wurde von der Schlösserverwaltung gesichert und die Reparatur des Kreuzes bereits in Auftrag gegeben. Sobald es wieder wärmer ist, werden die Arbeiten durchgeführt." Erleichterung also bei der Peña Galega de Munich: "Wir hoffen, dass bald der Cruceiro wieder so aussehen wird wie früher."

© SZ vom 30.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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