Der Bau der U-Bahnlinie U 9 wird immer wahrscheinlicher - doch dafür wird sich die Fertigstellung der zweiten S-Bahn-Stammstrecke um mindestens zwei Jahre, also bis 2028 verzögern, weil wegen der Innenstadtlinie U 9 neue Planungen notwendig werden. Diese beinhalten auch eine Verlegung des bisher vorgesehenen S-Bahnhalts am Ostbahnhof.
Am Dienstag verkündeten Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU), Ministerpräsident Markus Söder (CSU), Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) und der oberste Bahnchef Richard Lutz bei einer Pressekonferenz in der bayerischen Staatskanzlei nach einem Fachgespräch ihre Pläne für den Münchner Nahverkehr. Und diese sehen eine stärkere Verknüpfung der S-Bahn mit den Verkehrsmitteln der Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) vor. Auch den S-Bahn-Südring beziehungsweise -Nordring werde man weiter vorantreiben, so Reiter. Darüber sei man sich in der Runde einig gewesen. Um das regelmäßige Chaos auf der alten Stammstrecke zu beenden, kündigte Bahnchef Lutz zudem an, dass die Bahn das rund 50 Jahre alte Relaisstellwerk am Ostbahnhof bis zum Jahr 2023 durch ein neues digitales ersetzen werde. Die Kosten in Höhe von 220 Millionen Euro finanziert die Bahn aus eigenen Mitteln.
Im Zuge des Baus der zweiten Stammstrecke wird die Bahn am Hauptbahnhof im Auftrag der Stadt nun einen neuen U-Bahnhof für die U 9 am Hauptbahnhof mitplanen und bauen. Für die Planungen und den Rohbau für den U-Bahnhof gibt München 400 Millionen Euro aus. Von dieser Summe, so Reiter, werde sich die Stadt aber vom Bund "nennenswerte Beträge" zurückholen. Damit dies möglich ist, ist eine Gesetzesänderung für die Finanzierung von Verkehrsgroßprojekten notwendig. Scheuer hat aber die notwendige Änderung bereits in Aussicht gestellt. Voraussichtlich im Oktober soll der Stadtrat laut Reiter die U 9-Planungen beschließen.
Was den bisher am Orleansplatz vorgesehenen neuen S-Bahnhalt in Haidhausen betrifft, so wird dieser auf die andere Seite des Ostbahnhofs, also zur Friedenstraße hin verlegt. Diese Umplanungen sehen auch eine geänderte unterirdische Streckenführung der zweiten Stammstrecke vor. Bayerns Bahnchef Klaus-Dieter Josel sagte nach der Presserunde, dies habe vielerlei Vorteile. Einerseits wird die Baustelle für den S-Bahnhalt am Ostbahnhof auf Bahngelände verlegt, also werden die Anwohner weniger beeinträchtigt. Zudem muss sich die Bahn für den S-Bahnhof nicht so weit in die Tiefe schaufeln, was laut Josel das Bauen deutlich billiger macht. Der geplante Kostenrahmen von 3,2 Milliarden Euro plus einem Risikopuffer von 600 Millionen werde eingehalten.
Die Bahn rechnet durch die Umplanungen der zweiten Stammstrecke mit einer Steigerung der bisher vorgesehenen Kapazität um 25 Prozent. Dazu sollen auch die Digitalisierung des Systems und neue Züge beitragen, die mehr Passagiere fassen und bei denen ein schnelleres Ein- und Aussteigen möglich sein soll. Wie das künftige Betriebskonzept aussehen wird, ist noch offen. Der vorab angekündigte durchgehende 15-Minuten-Takt auf den Linien hat bereits zu vielen Protesten geführt. Viele Politiker und auch Verkehrsinitiativen fordern mindestens einen Zehn-Minuten-Takt. Auch was die Außenäste betrifft, besteht hier noch Ausbaubedarf. Dies hatten auch die Landräte im MVV-Gebiet in einem Positionspapier gefordert.
Die Bahn sieht auch neuen Klagen gelassen entgegen
Weil die Stammstrecke nun umgeplant wird, ist auch mit neuen Klagen gegen das Projekt zu rechnen. Denn die Gegner des Stammstreckentunnels lassen bis heute nichts unversucht, ihn noch zu stoppen. Erst vor ein paar Tagen hat der bayerische Verwaltungsgerichtshof einen Antrag des Verkehrsclubs Deutschland auf sofortigen Baustopp abgelehnt. Die Bahn sieht auch neuen Klagen gelassen entgegen. Mit der Umplanung der Strecke verringere man schließlich die Betroffenheit von Nachbarn in Haidhausen. Auch ob die von Anwohnern befürchtete Großbaustelle für einen Rettungsschacht an der Kellerstraße überhaupt noch notwendig ist, sei nicht mehr sicher. Das müsse aber noch geprüft werden, so Josel, ebenso die genaue Lage des neuen östlichen S-Bahnhalts. Der wird ungefähr an der Stelle entstehen, wo früher die Autozüge hielten. Bei der ursprünglichen Planung war laut Bahn noch nicht abzusehen, dass es die Autozüge irgendwann nicht mehr geben werde.
Söder wie auch Lutz und Reiter bedienten sich nach ihrem Treffen der Eisenbahnersprache. Man wolle ein "klares Signal für mehr ÖPNV" setzen, sagte Söder. Eisenbahner Lutz erklärte, man habe die Weichen für die Zukunftsfähigkeit des Nahverkehrs und der gesamten Mobilität im Münchner Umland gestellt. Auch OB Reiter sah "klare Signale", dass bald die Systematik der Finanzierung für Verkehrsprojekte geändert werden könnte. Nach den derzeitigen Kriterien hätte die U 9, die insgesamt wohl mehr als drei Milliarden Euro kosten wird, keine Chance auf Zuschüsse vom Bund.