Theater:Was nicht stirbt, ist nicht schön

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Lena Halve spielt in "Firnis" die Schauspielerin einer Hauptrolle, die aus einem Film fliehen will. (Foto: Mario Steigerwald)

Die Digitalisierung kann vergängliche Kunst unsterblich machen. Aber ist das immer gut? Die Inszenierung "Firnis" im Rationaltheater setzt sich mit dieser Frage auseinander.

Von Enna Kelch

Zwischen den roten Wänden des Rationaltheaters steht eine eigenartige Frau. Sie passt nicht hierher, in diese Kellerkneipenatmosphäre mit der urigen, hölzernen Bar, der Juke Box und dem dunklen Teppichboden. Dort steht sie mit ihrem roten, knappen Kleid, den knalligen Pumps, den puppenartig zusammengeflochtenen Zöpfen, die von roten Schleifchen geziert werden. Roboterhaft kommt sie die Bühne herunter marschiert. Als hätte sie das Laufen nie gelernt, als wäre sie aus einer anderen Zeit oder gehöre womöglich einfach nicht in diese Welt. "Ich bin aus einem Film", sagt sie dem Jungen, auf den sie trifft. Aus welchem Film sie stammt, könne sie ihm nicht sagen. Nur, dass sie nun endlich sterben wolle.

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"Firnis" von Gerhard Zahner und Tim Dziarnowski wurde benannt nach dem dickflüssigen Schutzaufstrich, der ein Gemälde vor seinem Verfall schützt. Genauso, wie es auch die Digitalisierung mit alten Filmen zu tun vermag. Dass die Verewigung von Kunst, die unter dem Deckmantel der Rettung vermarktet wird, einem Werk nun aber auch seine Schönheit rauben kann, wird hier auf eine absurde und gleichwohl eindrucksvolle Art aufgearbeitet.

In der Inszenierung von Jurij Diez im Rationaltheater wird die Tragödie einer Hauptfigur offenbart, die aus ihrem eigenen Film flieht, da dieser restauriert und digitalisiert werden soll. Denn dann wäre jene Frau, verkörpert von Lena Halve, für alle Zeiten dazu verdammt, in ihrer Rolle gefangen zu sein. Einer Rolle, in der sie unaufhörlich stiehlt, mordet, misshandelt wird und stirbt. Trotz anfänglicher Skepsis ihrer Weggefährten, gespielt von Alexander Felder und Adrian Moskowicz, versuchen sie ihr schließlich dabei zu helfen, dem irreversiblen Leid zu entkommen. Aber ist jene Digitalisierung, wenn erst begonnen, überhaupt noch zu stoppen?

"Firnis", 30. Nov. bis 3.Dez., jeweils um 20 Uhr, Rationaltheater München, Hesseloherstr. 18, www.rationaltheater.de

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