Prozess:Frau offenbar jahrelang in Münchner Wohnung eingesperrt

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Ein 64-Jähriger soll seine Partnerin über Jahre hinweg von der Außenwelt isoliert haben. Aus Eifersucht, sagt die Staatsanwaltschaft. Der Angeklagte erzählt eine ganz andere Geschichte.

Von Susi Wimmer

Das Leben von Monika P. ( Name geändert) glich einem Martyrium. Ihr Freund Dimitrios V. sperrte sie in ihrer eigenen Wohnung in Schwabing jahrelang ein und versteckte den Schlüssel. Er klebte die Fenster mit Papier und Folie ab, installierte Kameras in der Wohnung und kündigte den Festnetzanschluss. Die Wohnung durfte die heute 77-Jährige nur zusammen mit ihm für Einkäufe oder Arztbesuche verlassen. Zuletzt verbot Dimitrios V. auch das. Sie habe sich das Leben nehmen wollen, sagte die Frau später der Polizei. Jetzt sitzt Dimitrios V. vor der 29. Strafkammer am Landgericht München I. Er leidet unter paranoider Schizophrenie.

Der Blick von Dimitrios V. schweift durch den Gerichtssaal. Der 63-Jährige trägt einen weiten Parka, das Gesicht kantig, an Kopf und Kinn nur Haarstoppeln. Mit seiner Verteidigerin Birgit Schwerdt will er nicht reden, weil ihr Name auf "dt" endet. Unter den Besuchern entdeckt er einen Mann mit blauer Steppjacke. "Der da", sagt er, "der ist von der Kripo." Die Vorsitzende Richterin Nicole Selzam geht auf den Angeklagten ein, fragt den Mann im Zuschauerraum, ob er von der Polizei sei. "Nein, nur Besucher", antwortet der. Später wird V. sagen, dass er das nicht glaube, er kenne die Profile der Polizisten. Das sei eine Gabe, das könne man nicht lernen. Ebenso erkenne er die Beamten des BND, die ihn beschatten würden und ihn vergiften wollten. "Warum denn?", fragt die Richterin. "Ich weiß es nicht", sagt er.

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Dimitrios V. und Monika P. lernten sich im Jahr 2012 kennen. Der Ehemann von Monika P. war zehn Jahre zuvor verstorben, sie litt unter Angststörungen, zudem wurden Tumore bei ihr diagnostiziert. Sie hatte keine Familie mehr, und so zog V. im Frühjahr in ihre Wohnung ein.

Laut Anklage soll V. seine Freundin bereits ab Juli 2012 in der Wohnung eingesperrt haben, da er fürchtete, sie würde andere, jüngere Männer anschauen. Er kündigte das Telefon, Monika P. hatte kein Handy. Wenn sie mit Freundinnen telefonieren durfte, dann nur mit seinem Handy und in seiner Anwesenheit. So schliefen die sozialen Kontakte nach und nach ein.

2014 klebte V. die Fenster ab, bei Urlauben in Italien fesselte er die Fußgelenke von Monika P. mit Ketten ans Bett, damit sie das Zimmer nachts nicht verlassen konnte. Und sie musste 500 Mal in ein Heft schreiben: "Ich schaue keinen anderen Mann an." Aus Angst, sie könne ihn mit Essen vergiften, verbot er ihr, die Küche zu betreten und brachte dort einen Bewegungsmelder an. Ab April 2019 durfte Monika P. keinen Fuß mehr vor die Tür setzen. Außerdem hatte sie ihm eine Stunde täglich "zur Verfügung" zu stehen. Im November 2019 fiel dem Hausmeister auf, dass er Monika P. längere Zeit nicht antraf und niemand die Tür öffnete. Er verständigte schließlich die Polizei.

Dimitrios V. wird Freiheitsberaubung und Vergewaltigung vorgeworfen. Er hat dem Gericht teils bis zu 60-seitige Briefe geschrieben und darin "alles erklärt". Die Männer, mit denen Monika P. sich angeblich getroffen haben soll, existieren in Wahrheit nicht. V. ist im Isar-Amper-Klinikum in Haar untergebracht. "Aber ich bin gesund. Ich mache da Urlaub", erklärt er. Die anderen Patienten seien krank. Und unter ihnen seien auch eingeschleuste BND-Agenten. Der Prozess wird nächste Woche fortgesetzt.

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