Andreas M. sitzt in sich zusammengesunken im Gerichtssaal, als das Urteil verkündet wird. Nach sechs Verhandlungstagen hat die erste Strafkammer des Landgerichts München I unter Vorsitz von Richterin Elisabeth Ehrl die Unterbringung von Andreas M. in einer psychiatrischen Einrichtung angeordnet.
Mindestens 27 Mal hat M. im Juli vergangenen Jahres mit einem Küchenmesser im Wahn auf seine Mitbewohnerin in einer ambulanten Wohngemeinschaft eingestochen - auf Kopf, Oberkörper, Nacken. Dabei hat er nur knapp ihre Halsschlagader und Wirbelarterie verfehlt. Und hätte nicht einer der zuerst eintreffenden Polizisten sofort einen Druckverband am Arm angelegt, hätte die Frau verbluten können.
Für das Gericht steht fest, dass M. die Tat im Zustand krankheitsbedingter Schuldunfähigkeit begangen hat und dafür nicht bestraft werden kann. Doch die Allgemeinheit müsse vor ihm geschützt werden, wie die Richterin ausführt. Auch die Staatsanwaltschaft hält M. für schuldunfähig. Seit Jahrzehnten leidet er an einer paranoid-halluzinatorischen Schizophrenie, die sich in den Achtzigerjahren anbahnte, aber erst viel später erkannt und medikamentös therapiert wurde.
Doch immer dann, wenn er eigenmächtig seine Medikation absetzt, verliert er die Kontrolle über sich, hat keinen Bezug mehr zu Realität und Personen. Das haben Ärzte, Sachverständige, die Sozialarbeiterin, der Betreuer hinreichend belegt. Richterin Ehrl nennt es ein einziges Auf und Ab im Leben von M.
Das Gericht sieht es als erwiesen an, dass der heute 65-jährige gelernte Elektriker an jenem Tag grundlos seiner Mitbewohnerin in ihr Zimmer folgte und ihr vermutlich mit einem kleinen Taschenmesser in die Stirn schnitt. Sie floh in das Zimmer des dritten Mitbewohners. Zusammen riefen sie dann im Wohnzimmer die Polizei, als M. plötzlich mit dem Küchenmesser kam und anfing, auf dem Balkon auf die Mitbewohnerin einzustechen. Schließlich ließ er von ihr ab, legte das Messer in die Besteckschublade der Küche und öffnete die Wohnungstür, vor der sich bereits die Polizei befand.
Anders als der Vertreter der Staatsanwaltschaft in seinem ersten Plädoyer, geht die Strafkammer aber nur von einer bedingten Tötungsabsicht aus. Es seien kein Grund und kein Motiv erkennbar.
M. hat selbst keine Erinnerung mehr an die Tat, was ihm das Gericht auch abnimmt. Die Mitbewohnerin hatte sich nach der Attacke ein halbes Jahr lang nicht mehr allein auf die Straße getraut. Ihr Leben verdankt sie dem Umstand, dass die meisten Stiche nicht tiefer in ihren Körper eindrangen. Angst hat sie noch immer.