Urteil:Vom Buchhalter zum Berserker

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Der 59-Jährige lief im Mai vergangenen Jahres zunächst völlig betrunken einer jungen Frau hinterher und legte sich dann mit Polizisten an. Nun wurde er zu einer Bewährungsstrafe verurteilt.

Von Andreas Salch

Völlig betrunken hat ein Buchhalter erst einer jungen Frau nachgestellt und sich dann mit Polizisten angelegt. Das ging nicht gut aus. Der 59-Jährige musste sich jetzt vor dem Münchner Amtsgericht dafür verantworten. Dass es dazu kommen wird, hätte er eigentlich ahnen können: Denn er hat, wie er in der Verhandlung kundtat, Jura studiert - 24 Semester lang. Der Buchhalter ist kein unbeschriebenes Blatt. Er hat bereits mehrere Straftaten begangen, kurioserweise, wie der Vorsitzende Richter feststelle, meistens in der Zeit zwischen Mitternacht und ein Uhr. Und meist war er dabei betrunken.

In diesem Zustand war der 59-Jährige am 17. Mai des vergangenen Jahres einer Polizeistreife im Bereich des Untergeschosses am Hauptbahnhof aufgefallen. Es war gegen ein Uhr, die Polizisten sahen, wie der Mann "lallend" einer jungen Frau hinterherlief - und schritten ein. Als sie seine Identität feststellen wollten, platzte dem Buchhalter der Kragen. Er beleidigte die Polizisten auf übelste Weise und begann um sich zu schlagen. Die Beamten brachten ihn zu Boden, fesselten ihn und nahmen ihn mit auf die Wache. Dort musste er einen Atemalkoholtest machen. Ergebnis: 2,48 Promille. Um zu verhindern, dass der renitente Buchhalter weitere Straftaten begeht, wurde er von der Streife nach Hause chauffiert. Während der Fahrt nannte er die Polizisten "Nazis" und warf ihnen vor, sie würden Menschen "umbringen".

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Einige Zeit später erhielt der 59-Jährige einen Strafbefehl. Sechs Monate auf Bewährung sowie eine Geldauflage in Höhe von 750 Euro sollte er zahlen. Damit wäre der Fall erledigt gewesen. Aber er legte Einspruch gegen den Strafbefehl ein, woraufhin es zum Prozess vor dem Amtsgericht kam. In der Verhandlung bestritt der Buchhalter, die junge Frau verfolgt zu haben, und verwies darauf, dass er gegenüber den Polizisten "nur laut" geworden sei. Mehr nicht. Den jungen Polizeibeamten warf er vor, sie hätten überreagiert und seien "übersensibel" gewesen. Trotz dieser Einlassung riet der Vorsitzende Richter dem 59-Jährigen, er solle den Einspruch gegen seinen Strafbefehl zurücknehmen. Doch kleinbeigeben wollte der Buchhalter nicht. Er lehnte brüsk ab. Somit kam es zur Beweisaufnahme. Wie nicht anders zu erwarten, bestätigten die als Zeugen geladenen Polizeibeamten die Vorwürfe gegen den Angeklagten. In seinem letzten Wort vor der Urteilsverkündung sagte der 59-Jährige: "Ich befürchte, dass ich zu Unrecht verurteilt werde." Die Rechtmäßigkeit der polizeilichen Maßnahme könne im übrigen nur ein Verwaltungsgericht klären.

Unbeeindruckt davon verurteilte der Vorsitzende Richter den Buchhalter zu sechs Monaten und zwei Wochen Haft auf Bewährung wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte und Beleidigung in vier Fällen sowie zur Zahlung von 1000 Euro an eine gemeinnützige Einrichtung. Das Vorgehen der Polizeistreife sei rechtmäßig gewesen, stellte der Richter in seinem Urteil fest und hielt dem Buchhalter vor, dass er über "keinerlei Schuldeinsicht und Reue" verfüge. Mit diesem Urteil will sich der 59-Jährige nicht abfinden. Er hat nun Berufung vor dem Landgericht München I eingelegt. Die Staatsanwaltschaft allerdings auch (Az. 844 Ds 268 Js 168459/20).

© SZ vom 18.05.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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