München:Pixel-Werkstatt

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"Pixel" heißt ein neuer Treffpunkt am Gasteig, an dem sich Münchner aller Generationen mit neuen Technologien vertraut machen können. Geplant sind Workshops, Filmabende, Vorträge, Kunst- und Medienprojekte

Von Jutta Czeguhn, München

Ein Pixel allein kann wenig ausrichten, erst im Orchester mit anderen Farbbausteinen entsteht ein digitales Bild. So gesehen ist "Pixel" ein treffender Name für den kleinen Raum in der Passage am Gasteig gleich neben dem Abobüro der Münchner Philharmoniker. Früher kehrten dort Konzertbesucher in die Kulturbar "Philine" ein, an die nurmehr die Theke erinnert. "What is my purpose?" steht auf einem Schild am Tresen. "Um was geht's hier?", könnte man frei übersetzen. Eine berechtigte Frage, denn am Eröffnungstag hat im "Pixel" alles noch Werkstatt-Charakter, es wird gehämmert, geputzt. "Dies ist ein Ort für alle und alles", sagt Thomas Kupser, der zum Organisationsteam gehört, und wird dann präziser: Mit dem "Pixel" hat die Stadt ein neues Labor für Medienkultur. Münchner jeden Alters können sich hier kostenlos mit digitaler Technologie vertraut machen. Es wird Workshops geben, Kunst, Vorträge, Videostudios, Computerspiele, Jugendmedienprojekte. Und vieles mehr. Auch die Organisatoren wollen sich da überraschen lassen.

Kaffee und Mineralwasser sind im "Pixel" garantiert analog zu genießen, ansonsten gibt es im Treffpunkt am Gasteig jeden Dienstag viel aus der digitalen Welt zu entdecken. Dabei helfen Besuchern (von links) Ayham Bakkar, Linus Einsiedler und Thomas Kupser, Mitarbeiter des Münchner Medienzentrums. (Foto: Robert Haas)

Verantwortlich, auch finanziell, für das Projekt ist "Interaktiv", das Münchner Netzwerk für Medienkompetenz, das von den städtischen Referaten für Kultur, Soziales und Bildung getragen wird und an die 60 Institutionen vereint. Vermieter und Mitinitiator ist der Gasteig. Kupser und seine beiden Kollegen Linus Einsiedler und Ayham Bakkar vom Medienzentrum München wiederum sind die Ansprechpartner für alle Gruppen und Akteure, die diesen kleinen Raum künftig bespielen wollen. Sie haben die Schlüssel und werden koordinieren, wer das "Pixel" wann wie nutzen kann (Kontakt-Mail: pixel@jff.de, Telefon 12 66 53 14 oder 0176/215 20 92).

Alte VHS-Kassetten kann man im "Pixel" ins digitale Zeitalter beamen. (Foto: Robert Haas)

Zentraler könnte so eine Aktions- und Begegnungsfläche für digitale Medienkultur wohl kaum gelegen sein; an die 10 000 Besucher hat der Gasteig täglich. Vergangenen Donnerstag, als das "Pixel" erstmals offiziell seine Tür entriegelte, eilten viele zunächst an der bunten Schaufensterfront vorbei. Doch wen die Neugierde einmal hineingelockt hatte, der konnte sich gleich auf interaktive Experimente einlassen und Austausch pflegen: Andreas Wegeler etwa, der schon eine Weile auf der Welt ist. Er wolle die digitalen Medien nicht verteufeln, müsse aber beobachten, dass den jungen Leuten heute analoge Grundfertigkeiten wie Handschrift oder Zeichnen verloren gingen. Wegelers Medienkritik fand bei Thomas Kupser ein offenes Ohr, denn das "Pixel", sagt er, sei der ideale Ort, um die Generationen in den Dialog miteinander zu bringen.

Neymy Quasem, Studentin aus Jordanien, und Medienpädagogin Annette Hartmann bei einer Greenscreen-Aufnahme (Foto: Robert Haas)

Auch Kommunikation zwischen alten und neuen Techniken wird hier möglich sein: Martin Noweck, ebenfalls Mitarbeiter beim Medienzentrum, hat einen Prototypen entwickelt, an dem Besucher binnen weniger Sekunden VHS-Kassetten und bald auch Super-8-Filme oder Tonbänder digitalisieren und auf Sticks ziehen können. Diese Station soll im "Pixel" immer montags zugänglich sein. Quasi Tag und Nacht aktiv ist eine Installation mit generativer Kunst, die Passanten der Gasteig-Passage zu Künstlern und Dichtern macht. Dazu müssen sie nichts weiter tun, als auf einen Knopf drücken, der an der Fensterscheibe angebracht ist. Der Computer drinnen im Raum, den Linus Einsiedler, 25, mit Texten und Bildern gefüttert hat, kreiert dann - Algorithmus sei Dank - Poesie und Kunst, die nach draußen projiziert wird. Die Variationsmöglichkeiten sind unendlich. "Theoretisch könnte irgendwann mal zufällig die Mona Lisa entstehen", sagt Einsiedler. Geplant sind noch weitere Computer-Bewegungsspiele, die Passanten von außen im "Pixel" aktivieren können.

Andreas Wegeler an einer interaktiven Installation (Foto: Robert Haas)

Dezidiert im Inneren wird der neue Treffpunkt in den kommenden Tagen von den Organisatoren der türkischen Filmtage genutzt. "Nach den Filmvorführen laden wir das Publikum zu Gesprächen mit den Regisseurinnen und Regisseuren ins ,Pixel' ein", sagt Margit Lindner von der Münchner Stadtbibliothek, die auch für das Sinema Türk Filmzentrum tätig ist. Man werde während des Festivals zudem kleine Reportagen drehen und hier zeigen. Kostenlos gebucht hat das "Pixel" auch der Drehbuchjahrgang 2016 der Hochschule für Film und Fernsehen, die Schreiber werden am 25. April, 19 Uhr, alle Arten von Texten präsentieren. Dazu darf das Publikum dann den Film im eigenen Kopf drehen.

"Ich bin total gespannt, was hier rauskommt", sagt Gasteig-Sprecher Michael Amtmann und berichtet davon, dass die Idee zum "Pixel" in einem Workshop mit dem neuen Geschäftsführer des Hauses, Max Wagner, entstanden sei. Das "Pixel" hat drei Jahre Zeit, die Münchner analog wie digital zu vernetzen. 2020 ist dann erst mal Schluss, dann zieht der Gasteig um ins Ausweichquartier an die Hans-Preißinger-Straße. Vielleicht wird aber auch dort Platz für das "Pixel" sein.

© SZ vom 16.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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