München:Pflegen mit System

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Gute Pflege, gute Laune: eine Szene aus dem Damenstift am Luitpoldpark. (Foto: privat)

Das Modellprojekt "Primary Nursing" ist auf der Suche nach neuen Wegen in der Demenz-Betreuung

Von Astrid Benölken, München

"Wir versuchen, eine Antwort zu geben. Eine Antwort darauf, wie man trotz immer mehr Menschen, die ohne Fachhintergrund im Altersheim arbeiten, mehr Profession in die Einrichtungen hereintragen kann", sagt Helma Kriegisch vom Referat für Gesundheit und Umwelt. Der neueste Antwortversuch des Referates ist das Modellprojekt "Primary Nursing". Drei Jahre lang werden das Damenstift am Luitpoldpark und das Sankt-Martin-Haus in Giesing unter Betreuung der Katholischen Stiftungsfachschule versuchen, dieses Prinzip Stück für Stück umzusetzen.

Ursprünglich kommt "Primary Nursing" aus den USA, wo in vielen Kliniken durch das Belegsystem jeder Patient seinen behandelnden Arzt selbst mit ins Krankenhaus bringt. Die Primary Nurses der Klinik sollen in Notfallsituationen schnell und kompetent Ärzten, Angehörigen und Patienten Auskunft geben können, den Überblick behalten und Ansprechpartner sein. "Primary Nursing hat damit Effekt und Ziele, die in manchen Punkten für uns nicht relevant sind", sagt Marcus Maier, Leiter des beteiligten Damenstifts am Luitpoldpark.

In deutschen Altenheimen ist bereits die Grundstruktur anders. Im Schnitt bleiben die Bewohner im Damenstift nicht nur ein paar Tage, sondern 3,5 Jahre, die Pflege, die sie erhalten, ist von langer Hand geplant und abgesprochen und für die betroffenen dementen Bewohner ist die Umstrukturierung an sich erst einmal egal: "Sie leben nur im Hier und Jetzt, nicht in einem Pflegemodell," sagt Heimleiter Maier. Daher gehe es bei dem Projekt darum, Elemente des Primary Nursing zu finden, die umsetzbar sind und den Angehörigen und Mitarbeitern Erleichterung verschaffen.

Vereinzelt gibt es bereits Heime in Deutschland und der Schweiz, die Ähnliches probieren. Bei einer Studienreise ins Nachbarland vor knapp einem Jahr besichtigte eine Fachgruppe zwei dieser Heime. Das habe zwar toll ausgesehen, sagt Stiftsleiter Maier, aber man könne nicht einfach das bestehende System mit einem anderen Modell vergleichen, ohne einen Blick auf die Finanzen zu werfen. "Um Primary Nursing in Reinkultur umsetzen, würde ein Heimplatz tausende Euro mehr kosten, wir würden deutlich kleinere Gruppen brauchen und 70 Prozent mehr Personal, das hochqualifiziert ist", sagt Maier, "das ist Illusion, da brauchen wir nicht drüber reden".

Auch Helma Kriegisch vom Referat für Gesundheit und Umwelt weiß, dass es eine offene Frage sei, wie das "finanziell stemmbar ist". Zunächst gehe es aber darum, zu prüfen, welche Möglichkeiten es eigentlich gebe und an welcher Stelle überhaupt Veränderungen gut täten. Studenten der Katholischen Stiftungsfachhochschule München werten deshalb derzeit die bei Angehörigen und Mitarbeitern verteilten Fragebögen aus. Im nächsten Schritt steht seinen Mitarbeitern dann ein "wilder Blumenstrauß an Schulungen" ins Haus, sagt Heimleiter Maier.

Läuft alles nach Plan, könnte die Umstrukturierung im kommenden Sommer dann in der Praxis überprüft werden. Ihm gehe es vor allem darum, Fachkräfte zu binden, Kompetenzen zurückzugeben und die Strukturen an sich zu überdenken, sagt Heimleiter Marcus Maier: "Das Modellprojekt ist dabei für uns ein Katalysator."

© SZ vom 19.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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