Oktoberfest:Das S in S-Bahn steht für Suff

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"Sehr geehrte Fahrgäste, auf Anordnung der Polizei fährt unser Zug hier durch" - an der Hackerbrücke freut das den Pendler. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Das größte Volllauffest der Welt ist ein großer Spaß, für Pendler aber eher weniger. Zum Glück gibt es findige Lokführer.

Kolumne von Stefan Simon

Das S steht für Suff, wofür auch sonst in diesen Tagen. Es ist Oktoberfestzeit, und in der S-Bahn treffen sich nervöse Blicke. Abfahrt am Hauptbahnhof, stadtauswärts. Wer weiß, was gleich passieren wird? An der nächsten Station werden jene, die nach der Arbeit heim wollen, Gesellschaft bekommen von denen, die besser schon vor Stunden hätten heimfahren sollen. Im besten Fall sind die neuen Mitfahrer laut und nervig und riechen etwas streng. Im nicht ganz so guten Fall speien sie einem vor die Füße. Oder was man halt sonst so macht mit zwei bis zwölf Promille.

Hackerbrücke. Die S-Bahn fährt ein, ganz langsam, der Lokführer hupt, wie immer. Plötzlich eine Durchsage: "Sehr geehrte Fahrgäste, auf Anordnung der Polizei fährt unser Zug hier durch und hält erst an der Donnersbergerbrücke." Jubel im Abteil. Es wird geklatscht, es wird gelacht, und einer fragt: Geht das jetzt während der Wiesn bitte jeden Tag?

Das größte Volllauffest der Welt ist ein großer Spaß, nur halt nicht für alle. Anwohner, Taxler, Sanitäter, Polizisten, nicht zu vergessen die Wirte, die das ganze Jahr hart sparen müssen, um diese stark defizitären Zelte zu betreiben, die ihnen der Stadtrat immer wieder aufbürdet. Und natürlich alle, die abends in einem der öffentlichen Verkehrsmittel sitzen, die am Oktoberfest vorbeifahren. Es sind die Pendler, die den Schwankern nicht entkommen können. Nicht in den Bahnen, nicht in den Bussen und egal, wie viele Überstunden sie am Abend dranhängen. (Letzteres macht die Sache nicht besser, im Gegenteil.)

Seit Jahrzehnten wird in München diskutiert über eine zweite S-Bahn-Stammstrecke. Doch wo bleiben die Ideen für einen Geheimtunnel, den nur nüchterne Menschen aufzufinden im Stande sind? Wäre der Südring eine Lösung, ein noch viel südlicherer Südring, der einen noch viel größeren Bogen schlüge? Was ist mit der Tarifreform? Kann der MVV ein Null-Promille-Ticket einführen, wenn's schon für ein 365-Euro-Abo nicht reicht? Viele Pendler würden darauf glatt das Glas erheben. Und allen zuprosten, die an der Hackerbrücke draußen bleiben müssen.

© SZ vom 01.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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