Aufklärungskampagne:Pizza kalt - 110 gewählt

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An manchen Tagen verzeichnet die Polizei 2000 Notrufe. Da muss der Blechschaden manchmal warten. (Foto: Markus van Offern/imago images)

Die Polizei klärt darüber auf, wann ein Notruf wirklich angebracht ist. Denn manche missbrauchen die Nummer - und andere trauen sich nicht, sie zu wählen.

Von Joachim Mölter

Seit 1913 residiert das Münchner Präsidium in einem grünen Gebäude an der Ettstraße, in diesen 110 Jahren ist die Adresse zum Synonym für die Polizeizentrale geworden. "Wir wollen uns nicht selbst feiern", sagt Präsident Thomas Hampel, der das Jubiläumsjahr anders nutzen will: "Wir wollen den Fokus auf den Notruf richten." Dessen Nummer ist ja bekanntlich die 110.

Weniger bekannt ist offenkundig, bei welchen Gelegenheiten man sie anrufen soll. Deshalb hat das Präsidium eine Kampagne gestartet unter dem Motto "110 - unsere Nummer. Deine Sicherheit". Zum Auftakt am Freitag erklärte Marcus da Gloria Martins, der Leiter der Einsatzzentrale: "Wir müssen nicht an der Reputation der Nummer arbeiten, sondern am Wissen, wann man sie wählt."

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Viele Menschen, die bei der 110 anrufen, wollten eigentlich zur Feuerwehr, die unter der 112 zu erreichen ist, berichtete da Gloria Martins. Es gebe aber auch den umgekehrten Fall, weil auf Smartphones unter dem Notruf-Button die 112 hinterlegt sei. Seine Faustregel: die 112 für medizinische Notfälle, die 110 für sicherheitsrelevante Vorgänge. Auch das Rote Kreuz wies vor dem europaweiten Tag des Notrufs am 11. Februar darauf hin, die Rettungsdienstnummer 112 für lebensbedrohliche Situationen zu nutzen.

Die Polizei will mit der Kampagne vor allem Hemmschwellen bei älteren Menschen abbauen und diese gleichzeitig über neue Kriminalitätsformen informieren. Für den Trickbetrug durch Schockanrufe von falschen Polizisten hat sie beispielsweise eine Postkarte kreiert mit Warnhinweisen ("Die Polizei holt niemals Geld oder Wertgegenstände bei Ihnen ab") und einem Aufkleber: "Erst auflegen - 110 wählen".

Der Missbrauch des Notrufs ist strafbar - und kann teuer werden

Marcus da Gloria Martins ermunterte, im Zweifelsfällen auf das Bauchgefühl zu vertrauen, wenn jemand glaube, dass irgendwo etwas nicht stimme. Für die Polizei sei es wichtig, "frühzeitig an einen Ort zu kommen, wo die Dinge nicht so sind, wie sie sein sollten". Gleichzeitig warb er um Verständnis, dass es bei durchschnittlich 1000 und in der Spitze 2000 Einsätzen pro Tag sowie nur etwa 200 verfügbaren Streifenwagen Prioritäten geben müsse. Dann dauere es auch mal eine halbe Stunde, ehe die Polizei bei einem Autounfall mit Blechschaden sei.

Mitunter werde die 110 als Beschwerdestelle missverstanden, berichtete Marcus da Gloria Martins noch: "Was wir nicht brauchen, sind Leute, die anrufen, weil die Pizza vom Lieferdienst kalt ist, das Wlan bei ihnen daheim nicht funktioniert, die S-Bahn nicht pünktlich gekommen ist." Da Gloria Martins warnte, die 110 mutwillig aus Jux und Tollerei zu wählen: Der Missbrauch ist strafbar und "kann relativ schnell teuer werden". Und es solle keiner glauben, er käme mit einer unterdrückten Rufnummer durch: "Bei uns wird jede Nummer angezeigt."

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