München:Wegen des Kulturstrands schießt im Rathaus jeder gegen jeden

Lesezeit: 3 min

  • Das Verwaltungsgericht hatte am Dienstag das Vergabeverfahren für den Kulturstrand für nichtig erklärt.
  • Im Rathaus haben nun gegenseitige Schuldzuweisungen begonnen: Die Opposition wirft der Stadtregierung Versagen vor, auch die Koalitionspartner sticheln gegeneinander.
  • Ob der Kulturstrand dieses Jahr stattfinden wird, ist offen.

Von Thomas Anlauf und Heiner Effern

Die Opposition spricht von Chaos und Versagen, im Rathaus sticheln die Regierungspartner CSU und SPD gegeneinander, und das Kreisverwaltungsreferat (KVR) weist jede Verantwortung von sich. Am Tag, nachdem das Verwaltungsgericht die Vergabe des Kulturstrands für nicht rechtmäßig erklärte, läuft die Suche nach den Schuldigen.

Gleichzeitig mehren sich die Sorgen, dass das organisierte südliche Flair dieses Jahr komplett ausfällt. Das KVR verspricht zwar, in nur zwei Wochen die Fehler im Verfahren zu korrigieren. Selbst wenn das gelingt, könnten unterlegene Bewerber aber wieder klagen.

Die FDP wirft CSU und SPD deshalb vor, als Stadtregierung versagt zu haben. Beide hätten es nicht geschafft, "das Vergabeverfahren zum Kulturstrand rechtmäßig zu gestalten. Zusammen mit dem Verdacht auf Mauscheleien auf Seiten der SPD wirft das kein gutes Licht auf die Stadtverwaltung", sagt Fraktionschef Michael Mattar.

Urbanauten, Urban League, Planworx und Wildfleck
:So sehen die Konzepte zum Kulturstrand aus

Der Streit um den Kulturstrand wird fortgesetzt, auch vor Gericht. Doch wer sind die Bewerber um den Kulturstand eigentlich - und was sind deren Konzepte?

Von Thomas Anlauf

Die Grünen fürchten, dass "sich der Strand für dieses Jahr erledigt hat", sagt Fraktionssprecherin Gülseren Demirel. Es sei jedoch zu kurz gesprungen, das auf die Verwaltung zu schieben. Das neue Vergabeverfahren sei vielleicht gut gedacht gewesen, habe sich aber in der Praxis nicht bewährt. Der Beschluss dafür fiel im Stadtrat.

Das KVR erklärt, diesen lediglich umgesetzt und dafür alle von städtischen Dienststellen eingegangenen Bewertungen zusammengerechnet zu haben. Mehr habe man nicht als Aufgabe betrachtet. Für die Zukunft gelte es zu prüfen, "ob das Verfahren praktikabel und vom Aufwand her angemessen ist", sagte eine Sprecherin. Die Grünen fordern einen neuen Stadtratsbeschluss, um die Entscheidung schnell zu vereinfachen und den Strand nicht jährlich, sondern für einen längeren Zeitraum zu vergeben. Die SPD signalisierte zumindest Gesprächsbereitschaft.

"Jeder Jurist hätte das in zwei Minuten gecheckt"

Im Übrigen ist das Regierungsbündnis damit beschäftigt, sich mit Sticheleien zu piesacken. Denn die beiden aussichtsreichsten Bewerber werden intern jeweils einer Partei zugerechnet, was sich nur in einem Fall sofort erschließt: beim bisherigen Sieger, der "Urban League", deren Geschäftsführer Dierk Beyer Mitglied der SPD ist.

Dem Zweitplatzierten bei der Vergabe, den "Urbanauten", wird CSU-Nähe unterstellt, obwohl deren Chef Benjamin David Mitglied der Grünen ist. Diese Zuordnung resultiert aus einer auffälligen Liebe der CSU-Fraktion für den Kulturstrand. Bürgermeister und Wirtschaftsreferent Josef Schmid war 2015 Schirmherr und gilt als ausgesprochener Fan. Ihr Sommerfest veranstaltete die CSU vergangenes Jahr am Strand von David.

Vor diesem Hintergrund ist zu registrieren, dass CSU-Fraktionsvize Michael Kuffer als Erster das diesjährige Vergabeverfahren für untauglich erklärte. Er forderte KVR-Chef Wilfried Blume-Beyerle in einer Mail auf, das Ergebnis vor einer Veröffentlichung zu überprüfen, da es nicht korrekt sei. "Jeder Jurist hätte das in zwei Minuten gecheckt", sagt Kuffer.

Auch öffentlich kritisierte er die Entscheidung, das Verwaltungsgericht gab ihm Recht. Von einer Mauschelei der SPD spricht Kuffer nicht offen, sagt aber: "Ich kenne den KVR-Chef als sehr guten und sorgfältigen Juristen. Ich frage mich, was dahinter steckt."

Auswahlverfahren
:Dem Erfinder wird der Kulturstrand weggenommen

Die Urbanauten gehen beim Auswahlverfahren leer aus und wittern eine Verschwörung. Der neue Veranstalter kündigt gleich mal eine Änderung an.

Von Dominik Hutter

Das KVR weist jede politische Einflussnahme strikt zurück. Die SPD reagiert auf Kuffers Andeutungen verärgert. Solche "Breitseiten" finde er "verwunderlich und befremdlich", sagt Fraktions-Vize Christian Vorländer. Auch entsprechende Äußerungen des Urbanauten-Chefs David stoßen der SPD übel auf. "Da hat es uns erst mal die Schuhe ausgezogen. Verschwörungstheorien in die Welt zu setzen, dass hier Dunkelmänner ihr Spielchen spielen, finde ich zumindest komisch", sagt Vorländer.

Seine Partei führe keinen Feldzug gegen die Urbanauten. Er selbst schätze deren Verdienste sehr. Trotzdem müssten die Erfinder und bisherigen Ausrichter des Kulturstrands eines lernen: "Es gibt kein Monopol auf den öffentlichen Raum."

Auch Vorländer ist besorgt, dass nun keiner der beiden aussichtsreichsten Bewerber eine Niederlage akzeptieren wird. David hat gezeigt, dass er den Gang vors Gericht nicht scheut. Die Urban League mit Beyer und Zehra Spindler an der Spitze wiederum vertraut noch auf das Urteil der Stadt.

Vergabe
:KVR spricht von "falschen Behauptungen" der Urbanauten zum Kulturstrand

Der Streit um die Vergabe eskaliert - dabei haben die unterlegenen Bewerber noch nicht einmal die angekündigte Klageschrift eingereicht.

Von Thomas Anlauf

"Die Ausschreibung, die lediglich in den bekannten Punkten wohl nachgebessert wird, ist doch rechtsgültig", sagt Spindler. "Deshalb bereiten wir nach wie vor die Veranstaltung vor, um - vorausgesetzt, wir halten den Vorsprung - unser Konzept sauber umsetzen zu können." Sollte sie aber nun doch verlieren, hat sie zumindest eine Klage als denkbar angekündigt, falls sie auf ihren bisherigen Kosten sitzen bleibt. Auch ihre Anwälte würden sich wohl den Bescheid genau anschauen.

Auch wenn bei erneuten Klagen der Strand ausfallen könnte, einen Kompromiss mit dem ärgsten Konkurrenten hält Spindler derzeit für nicht nötig. "Dass die Ausschreibung an einen Kompromiss gekoppelt ist, wäre mir neu." Sie kann bei einer Entscheidung in zwei Wochen schnell loslegen. "So eine kurzfristige Zwischennutzung ist ja eine Spezialität von mir", sagt die Kulturveranstalterin, die durch Projekte wie "Puerto Giesing" im ehemaligen Hertie-Kaufhaus bekannt wurde.

Mit Künstlern sei sie längst in Kontakt, sie habe aber wegen des Gerichtsverfahrens bislang keine festen Zusagen machen können. Bei der Organisation kann "Urban League" zudem auf die Logistik der "Craft Veranstaltungs AG" um Dierk Beyer zurückgreifen. "Craft" betreibt Clubs in München und Augsburg. Auch die Urbanauten könnten den Strand kurzfristig organisieren, das haben sie 2015 bewiesen. Die endgültige Genehmigung kam damals wenige Tage vor dem Start, der dann nur um eine Woche verschoben werden musste.

Der Streit um den Kulturstrand ist aber noch um eine weitere Facette reicher. Die gemeinnützige Unternehmergesellschaft Wildfleck griff vor dem Verwaltungsgericht das Verfahren ebenfalls an. Geschäftsführer Stefan Engelsberger monierte, dass er "mangels Erfahrung" sofort ausgeschlossen worden sei. Zudem wollte er erzwingen, dass das KVR seine Veranstaltung genehmigt. Nach Angaben des KVR lehnte das Gericht jedoch seine Anträge ab.

© SZ vom 02.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: