Obergiesing:Nach Knopfdruck mobil

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Der "Bikeomat" hält rund um die Uhr Fahrrad-Ersatzteile bereit, darf aber in München nur auf privatem Grund stehen

Von Ellen Draxel, München

Ugur Tekes ist ein findiger Mensch. In Obergiesing betreibt der 36-Jährige einen Fahrradladen mit seinem Bruder, das Geschäft läuft gut. Radeln ist in. Doch als immer mehr Menschen zu ihm kommen, um ihre Reifen aufpumpen zu lassen, wird dem Münchner schnell klar: "Der Service kann mit den Radlboom nicht mithalten." Was, wenn der Reifen ein Loch und kein Laden mehr geöffnet hat? Wenn das Licht defekt ist und die Nacht schon hereinbricht? Für Reparaturen in einer Werkstatt warten Kunden oft ein oder zwei Wochen.

Tekes entwickelt einen Automaten, der ähnlich wie ein Süßwaren- oder Getränke-Automat funktioniert. Nur, dass das Gerät statt Chips, Schokolade oder Cola knapp 70 Ersatzteile und Werkzeug fürs Fahrrad anbietet. Von Glühbirnen über Fahrradschläuche, Reparatursets oder Ketten bis hin zum Fahrradheber. Ein Schlauch der Firma Schwalbe kostet in Tekes "Bikeomat" 6,90 Euro - im Laden zahlt der Kunde rund acht Euro. Ähnlich ist es mit den anderen Produkten - sie sind durchgehend etwas günstiger als im Fahrradgeschäft. "Die Hersteller sponsern ihre Waren, und wir geben die Preise dann weiter", erklärt Tekes.

Damit Laien die Ersatzteile dann auch selbst einbauen können, ist an den Automaten ein Touchscreen angebracht, der Montage- und Reparaturanleitungen zu den einzelnen Teilen liefert. 24 Stunden, rund um die Uhr. Luft für die Reifen ist am Bikeomat kostenlos zu haben, passend für alle Ventile. Auch Akkus für E-Bikes lassen sich kostenlos aufladen.

Der Haken sind die Standorte. "Wir sind quasi überall in Deutschland und viel im Ausland mit dem Bikeomaten vertreten, schaffen es aber nicht, in unserer Heimatstadt Fuß zu fassen", klagt Tekes. Insgesamt drei Mal holte sich der Münchner ausgerechnet in der Stadt, die Deutschlands Radlhauptstadt werden will, eine Abfuhr. Die Begründung des Kreisverwaltungsreferates: Gemäß der Sondernutzungsrichtlinien der Stadt sei es nicht erlaubt, auf öffentlichem Grund freistehende Automaten aufzustellen: "Ich verstehe das nicht, in anderen Städten funktioniert es doch auch." Göttingen beispielsweise habe um die Uni herum bereits zwei Automaten aufgestellt, ein dritter sei bestellt. 20 000 mal pro Monat wird an diesen Säulen Luft gezapft. "In Göttingen gelten dieselben Richtlinien wie in München, aber dort wurde das Regelwerk im Interesse der Bürger einfach kurzerhand angepasst."

Allen Widrigkeiten zum Trotz gibt es in München seit kurzem vier Bikeomaten, sie stehen alle auf privatem Grund des Wohnungsunternehmens Heimbau Bayern: an der Ecke Pilgersheimer/Kleiststraße in Untergiesing, an der Sendlinger Waldfriedhofstraße 45, an der Wiesentfelser Straße 29 in Neuaubing und in Schwabing an der Gabelung Muffat-/Destouchesstraße.

Der Westschwabinger Bezirksausschuss will nun erstmals von politischer Warte aus die Genehmigung der Servicestation auf öffentlichem Grund prüfen lassen. Zu einer fahrradfreundlichen Infrastruktur gehörten mehr als nur ein gutes Radwegenetz, Fahrradstraßen und ausreichend Fahrradstellplätze. Von jederzeit zugänglichen Fahrradpumpen profitierten außer Radlern zudem auch Rollstuhlfahrer und Eltern mit Kinderwagen.

Acht Plätze in ihrem Stadtbezirk nennen die Bürgervertreter der Verwaltung als sinnvolle Standorte. An einem oder zwei könnte man solche Rad-Service-Stationen probehalber aufstellen. "Wir würden dort die Automaten kostenfrei zur Verfügung stellen", sagt Tekes. Und laut, verspricht er, seien die Geräte beim Aufpumpen der Reifen nicht.

© SZ vom 29.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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