München:Miteinander geht's besser

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Wegen der verästelten Behördenstruktur dauern Großprojekte immer länger. Künftig sollen die Referate effektiver kooperieren. Mobilitätskonzepte könnten bald Standard im Städtebau-Prozess sein

Von Stefan Mühleisen, München

Das große Thema in der Stadt ist der prekäre Wohnungsmarkt, doch mindestens auf Augenhöhe rangiert ein anderer Aufreger: der Verkehr. In der Bevölkerung wächst die Wut über Lärm und Abgase, ständige Staus und den stinkenden Stillstand in einer Stadt, deren Einwohnerzahl immer weiter wächst. München braucht dringend mehr Wohnraum; doch mit dem Zuzug wächst auch die Verkehrsbelastung. Indes, es rührt sich was. In den städtischen Behörden werden Schritte unternommen, um aus der Zwickmühle herauszukommen.

Nach einem Beschluss des Stadtrats sollen nun große Bauprojekte schneller und effizienter abgewickelt werden; flankierend dazu sollen bald moderne Mobilitätskonzepte möglichst standardmäßig in den Städtebau eingefügt werden. "Die Lösung, auch im Sinne besserer Luft, kann nur sein: Wir müssen dafür sorgen, dass auf Münchens Straßen weniger Autos fahren", sagt Kreisverwaltungsreferent Thomas Böhle und fügt hinzu: Man müsse brauchbare Alternativen bieten, "vernünftig, praktikabel und bezahlbar".

Zum Picknicken gibt es wohl lauschigere Orte als das Neubaugebiet. Dort saßen jetzt Experten sowie Vertreter der Münchner Kommunalpolitik beim Fachkongress "Lernendes Freiham" beisammen. (Foto: Stephan Rumpf)

Wie das gehen könnte, wird in den Vierteln längst heiß diskutiert, zuletzt bei einem Workshop des Bezirksausschusses Schwabing-Freimann, an dem auch eine Reihe von Behördenvertretern teilnahmen. Es sollte um Mobilität im Baugebiet Bayernkaserne gehen, doch die Veranstaltung wurde zu einer Art Zukunftswerkstatt. Die Teilnehmer trugen eine Reihe von "Leitlinien" zusammen, welche es gelte umzusetzen: etwa die Einrichtung von "Mobility Hubs", also Plätze, an denen Bürger wählen können zwischen öffentlichem Nahverkehr, Leihrädern und Carsharing-Fahrzeugen; es wurden mehr Parkplätze auf Privatgrund, weniger im öffentlichen Raum gefordert sowie verpflichtende Mobilitätskonzepte für Bauträger.

Was die Realisierung angeht, zeigten sich die Schwabinger Lokalpolitiker skeptisch. Ihre Auffassung: In der Stadt gehe nichts voran, weil die Referate kaum zusammenwirkten, quasi separat nebeneinanderher arbeiteten. Der Eindruck trifft durchaus zu. Die Verwaltungsstruktur für die Planung großer Bauvorhaben ist kompliziert: Anders als in der Privatwirtschaft gibt es keine zentrale Projektsteuerung, sondern es herrscht eine verästelte Ressortzuständigkeit, wobei die Dienststellen, jeweils mit eigenen Entscheidungskompetenzen ausgestattet, Expertisen zuliefern. Die Folge: konkurrierende Befugnisse, quälend lange Abstimmungsprozesse. All dies hat das Planungsreferat jetzt sinngemäß in dem Stadtratsbeschluss eingeräumt. Es gebe, so heißt es in dem Papier, "erhebliche Optimierungspotenziale". Qua Beschluss sollen die Referate künftig in speziellen Steuerungsgruppen kooperieren. Zügiger, ökonomischer, produktiver sollen die Verfahren abgewickelt, die Fachstellen besser verzahnt werden. Bei Großvorhaben will die Stadt Projektsteuerungsunternehmen mit ins Boot holen, wie es schon bei Freiham-Nord mit der Firma Drees & Sommer praktiziert wird.

Unterwegs im Domagkpark: Im Modellquartier für das EU-Mobilitätsprojekt "Civitas Eccentric" gibt es Leihräder, Sharing-Autos oder Elektromopeds. (Foto: Robert Haas)

Die neuen Regelungen für die Bauleitplanung könnten auch neue Strategien für den Verkehr zur Folge haben, schließlich braucht jedes Wohngebiet ein Konzept für Straßen und die Anbindung an Tram, Bus und Bahn. Das Planungsreferat hat bereits verkehrsplanerische Fachkoordinatoren eingerichtet. Sie sollen mit der Straßenverkehrsbehörde und Straßenbaubehörde engen Kontakt halten, wie Martin Schreiner berichtet, Leiter der Abteilung Strategische Konzepte und Grundsatzangelegenheiten des Verkehrsmanagements beim Kreisverwaltungsreferat (KVR). "Die neuen Strukturen befinden sich noch im Aufbau und müssen nun gelebt werden", sagt er. Zuversichtlich zeigt sich auch die Sprecherin des Stadtratsausschusses für Stadtplanung und Bauordnung, Heide Rieke (SPD): "Es ist schon vieles auf den Weg gebracht, wir müssen den Weg nun konsequent gehen."

Und der soll dahin führen, dass ein breites Mobilitätsangebot in den Wohnungs- und Städtebau integriert wird, wie Schreiner bestätigt. Er und seine Kollegen orientieren sich dabei an vielversprechenden Leuchtturmprojekten, zum Beispiel im Neubaugebiet Domagkpark, Modellquartier für das EU-Mobilitätsprojekt "Civitas Eccentric". Dort gibt es Mobilitätsstationen mit E-Ladesäulen, Leihrädern, Sharing-Autos und Elektromopeds, dazu wurde ein professioneller Concierge-Dienst etabliert, der Dienstleistungen koordiniert. Die Genossenschaft Wogeno durfte zugunsten eines Mobilitätskonzepts mit reduziertem Stellplatzschlüssel bauen. Viele Parkplätze in der halb so groß wie gewöhnlich realisierten Tiefgarage stehen leer, heißt es. "Wenn ich an meinem Wohnstandort oder meinem Arbeitsplatz ein perfekt integriertes Angebot vorfinde, ist es leichter für mich, auf ein eigenes Auto zu verzichten", sagt Schreiner.

Solche Initiativen sollen Schule machen - vor allem bei den Investoren. KVR und Planungsreferat erarbeiten derzeit einen Leitfaden, um die Erfahrungen vom Domagkpark "so weit wie möglich zum Standard für alle Münchner Neubaugebiete zu machen", wie Schreiner sagt. Dabei soll auch die Bürgerschaft verstärkt an Planungen teilhaben. Angedacht wird etwa ein Online-Portal, auf dem alle Verfahren zusammengefasst präsentiert werden; überdies bereitet das Planungsreferat einen gesamtstädtischen "Arbeitskreis Bürgerbeteiligung" vor. Die Bürger, so formuliert es die Behörde in dem Beschlusspapier, "erwarten einen Dialog auf Augenhöhe".

© SZ vom 14.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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