München:Mit uns nicht!

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Der Widerstand ist allgegenwärtig: Die gut vernetzte Bürgerschaft stellt sich rechtsextremen Aufmärschen in der Stadt immer deutlicher entgegen. (Foto: Florian Peljak)

Seit dem Versuch Rechtsradikaler, den Bezirksausschuss Laim für ausländerfeindliche Zwecke zu instrumentalisieren, wächst die Aufmerksamkeit in den Stadtteil-Gremien noch stärker

Bezirksausschüsse haben zuweilen seismografische Qualitäten. Rumort es in der Stadtgesellschaft, laden Unzufriedene ihren Groll nicht selten in dem politischen Gremium ab, das mehr oder weniger vor ihrer Hautür tagt. Das ist auch zu beobachten, wenn in unmittelbarer Nähe eine Unterkunft für Flüchtlinge eröffnet. Besorgte Anfragen wurden in München bislang aber noch kaum für rechte politische Zwecke instrumentalisiert. Seit in der vergangenen Woche in Laim erstmals polizeibekannte Rechtsradikale in der Bezirksausschuss (BA)-Sitzung gegen eine geplante Unterkunft für 700 Flüchtlinge in einem ehemaligen Autohaus an der Landsberger Straße hetzten, fragt man sich in der Stadt, ob das Vorgehen demnächst in Serie geht.

Die Fachstelle für Demokratie, die dem Büro des Oberbürgermeisters zugeordnet ist, war vorgewarnt, dass in Laim organisierte Rechte auftreten könnten. Tage zuvor hatte die Polizei zig Plakate von Bäumen geklaubt, die mit "Nein zum geplanten Asylantenheim. Nachbarn - Laimer aufgepasst" überschrieben waren und aufforderten, zur Sitzung zu kommen. Dass schließlich "drei Rechtsextremisten im Publikum saßen, darunter ein staatlich Verurteilter", heißt es später in der Fachstelle für Demokratie, die einen Mitarbeiter zu der Versammlung geschickt hatte, "gab es noch nie bei so einer Sitzung". Das Treffen bestimmten zeitweise lautstarke Beschimpfungen in Richtung Sitzungsleitung, nachdem eine Bürgerin sich zu Wort gemeldet hatte, weil sie sich nachts von "ausländischen Männern" bedroht fühlte.

In der Fachstelle für Demokratie hat man daraufhin öffentlich darüber räsoniert, ob der Sitzungsverlauf deshalb teilweise chaotisch war, weil der Laimer Bezirksausschuss zu den wenigen in München gehört, der keinen eigens geschulten Beauftragten für Rechtsextremismus hat. Der hätte womöglich dem bewussten Aufhetzen durch Rechtsradikale etwas entgegen setzen können.

Ganz anders im Sendlinger Bezirksausschuss, in dem es drei Beauftragte gegen Rechtsextremismus gibt. SPD-Fraktionschef Ernst Dill reklamiert für sich, den Posten des Beauftragten gegen Rechtsextremismus sozusagen erfunden zu haben - vor allem, um die Rolle der Bezirksausschüsse im Kampf gegen Rechts zu stärken und für das Problem zu sensibilisieren. In Sendling gibt es zwar angeblich keine Rechtsextremen, zumindest keine, die auffällig geworden sind. Es gab allerdings häufig Besuch: Michael Stürzenberger von der Partei "Die Freiheit" war vor allem im vergangenen Jahr mit Kundgebungen und Infoständen aktiv - am Harras und vor dem Rewe an der Alramstraße. In Sendling werden Veranstaltungen von Rechtsextremen von Anbeginn an gestört. Unterstützt wird der BA dabei oft von der evangelischen Kirche in Sendling.

Zu einem ebenfalls nahezu routinierten Widerstand gegen Aktionen von Rechten haben in Schwabing-Freimann Bürger und Bürgervertreter gefunden. Gut zwei Dutzend Mal hatte der rechtsextreme Stadtrat Karl Richter (Bürgerinitiative Ausländerstopp München) im vergangenen Jahr Kundgebungen vor der Bayernkaserne organisiert, bei denen er gegen Flüchtlinge polemisierte. Jedes Mal sah er sich einer wachsenden Zahl an Gegendemonstranten gegenüber. "Es wurden acht bis zehn E-Mails verschickt, da kamen dann sofort bis zu 30 Leute", sagt Patric Wolf, CSU-Mitglied im Bezirksausschuss und zugleich Rechtsextremismus-Beauftragter. Er knüpfte in dieser Zeit mit der Initiative "München ist bunt" ein Netzwerk von Bürgern, die immer bereit sind, gegen rechte Hetze auf die Straße zu gehen. Zuletzt funktionierte dies im September, als der Münchner Pegida-Ableger vor dem Ankunftszentrum für Flüchtlinge im Euro-Industriepark aufmarschieren wollte. Dazu kam es nicht - doch die Gegendemo stand schon parat, prophylaktisch gewissermaßen. Die Schwabinger sind mittlerweile ziemlich versiert im selbstbewussten Aufbegehren gegen Rechtsextreme und Rechtspopulisten. Und sollten die im Gremium auftauchen, wie zuletzt in Laim, dürften sie wohl keine Bühne bekommen.

Rar geblieben sind fremdenfeindliche Aktivitäten bislang im Nachbarbezirk Schwabing-West. Wird es doch einmal versucht, tritt der Bezirksausschuss dem sofort entgegen. Als im Dezember 2012 Stadtrat Karl Richter, Vize-Chef der Bundes-NPD, vor dem Nordbad aufmarschierte und gleichzeitig die rechtspopulistische Partei "Die Freiheit" um Unterschriften gegen den Bau einer Moschee warb, sorgten Mitglieder aller Fraktionen des Stadtteilgremiums für Aufklärung, indem sie mit den Bürgern redeten und Flyer des "Münchner Appells gegen Rechtpopulismus und für ein demokratisches Miteinander" verteilten. Dasselbe wiederholte sich im Januar 2013, als Michael Stürzenberger mehr als fünf Stunden auf dem Kurfürstenplatz Unterschriften sammeln wollte. Danach passierte lange nichts mehr, bis vor einem halben Jahr. Da versuchten Rechte, vor der Hermann-Frieb-Realschule und vor der Berufsschule am Elisabethplatz Flyer zu verteilen. Das wurde sofort unterbunden, in den folgenden Tagen patrouillierten BA-Mitglieder vor allen Schulen im Viertel, um solche Aktionen im Keim zu ersticken. Mit Erfolg.

Auch der BA Milbertshofen-Am Hart hat mit Ruth Huber eine Beauftragte gegen Rechtsextremismus. Sie informiert die Mitglieder über Umtriebe der Rechten, hat guten Kontakt zur Polizei, verteilt Infobroschüren oder ruft zum Widerstand gegen Demonstrationen der Rechten auf. Am 15. August zeigte der BA des elften Stadtbezirks zusammen mit dem BA Feldmoching-Hasenbergl Flagge, als "Der Dritte Weg" vor dem Einkaufszentrum Mira demonstrierte.

In Pasing-Obermenzing konnte man bislang einen überparteilichen Konsens beobachten, was Reaktionen auf rechtsextreme Umtriebe im Viertel angeht. Aktionen wie gegen das sogenannte Braune Haus in Obermenzing, einem Treff der neonazistischen Szene, hat der BA zusammen mit dem SPD-Landtagsabgeordneten Florian Ritter geplant und durchgeführt. Auch eine Solidarkundgebung nach dem mutmaßlich rassistisch motivierten Anschlag im Juni auf die Pasinger Moschee haben die Lokalpolitiker unterstützt. Dass die Mitglieder des Gremiums untereinander und mit Initiativen wie "München ist bunt" gut vernetzt sind, hat sich auch im August gezeigt, als die Partei "Die Rechte" am Pasinger Bahnhof einen Infostand aufbaute. Bei der spontanen Gegendemo sah man ebenfalls etliche BA-Mitglieder. Der Bezirksausschuss hat zwei Rechtsextremismus-Beauftragte, die es vorziehen, anonym zu bleiben. Der Vorfall in Laim hat auch sie alarmiert. Auf die nächste BA-Sitzung im November wird sich das Gremium gezielt in einem interfraktionellen Treffen vorbereiten und eine Strategie entwickeln. Mit aller Macht werde man versuchen, die Diskussion in geregelte Bahnen zu lenken, "indem wir polemische oder fremdenfeindliche Aussagen nicht dulden und bei Wiederholungen die Gäste des Saales verweisen". Da auch in Pasing in den kommenden Monaten etliche Flüchtlingsunterkünfte eingerichtet werden, halten die Beauftragten die frühzeitige Unterrichtung der Bürger für wesentlich. Durch Aufklärung und Transparenz, glauben sie, könnten die einseitigen Argumente der Rechten am besten widerlegt werden.

Nahezu resistent gegen Auftritte rechter Wortführer haben sich bisher die Stadtviertel im Münchner Südwesten gezeigt. Das könnte damit zu tun haben, dass die Vorsitzende des Vereins "München ist bunt", Micky Wenngatz (SPD), stellvertretende Vorsitzende im BA Thalkirchen-Obersendling-Forstenried-Fürstenried-Solln ist: "Ich kenne viele der Münchner Nazis und Pegida-Leute sowie ihre Wortergreifungsstrategien und umgekehrt." Von daher sei den Rechten klar, dass sie im Stadtbezirk 19 mit sofortigen Reaktionen rechnen müssten. Im Ernstfall würde im Versammlungslokal "rasch Kante gezeigt", wofür es eine klare Schrittfolge gebe: zunächst der Hinweis, dass rechtsradikale Redebeiträge nicht geduldet werden, danach die Wiederholung der Klarstellung, dann Wortentzug. Notfalls müsse der Vorsitzende vom Hausrecht Gebrauch machen und hartnäckige Brandredner des Saals verweisen. Wenngatz, die im Gremium auch als Beauftragte gegen Rechtsextremismus fungiert, ist bis heute froh, dass es vor ein paar Jahren gelungen ist, durch Gespräche mit einer Hauseigentümerin die Einquartierung von Neonazis an der Forstenrieder Allee zu verhindern.

Auch in der Maxvorstadt dürfte es unwahrscheinlich sein, dass radikale Redebeiträge die BA-Sitzung eskalieren lassen. Der Vorsitzende Christian Krimpmann (CSU) ist Polizist und lässt durchblicken, dass er sofort vom Hausrecht Gebrauch machen würde: "Es wird kein Problem sein, Störer rauszuwerfen." Dennoch, Pegida war und ist in der Altstadt und der Maxvorstadt sehr aktiv, zuletzt bei einer Kundgebung vor der Feldherrnhalle. Der Rechtsextremismus-Beauftragte Andreas Bieberbach - er ist auch im Vorstand von "München ist bunt" - räumt ein: "Es ist organisatorisch sehr schwierig, jeden Montag eine vernünftige Aktion zu machen, die nicht nur auf Pegida reagiert, sondern eigene Akzente setzt."

Einen deutlichen Akzent hat man in Neuhausen-Nymphenburg gesetzt. Der Bezirksausschuss kehrte heuer nach mehr als 20 Jahren seinem Tagungslokal den Rücken, weil die Wirtin dort immer wieder Reservierungen rechter Gruppierungen annahm: "Wir wollen nicht in Räumen tagen, in denen krude, volksverhetzende Thesen verbreitet werden."

Recherchen: Jutta Czeguhn, Ellen Draxel, Nicole Graner, Birgit Lotze, Sonja Niesmann, Stefan Mühleisen, Andrea Schlaier, Jürgen Wolfram

© SZ vom 17.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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