München:Lernen auf Schienen

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Heimat- und Sachkunde kann richtig Spaß machen: Das ist den Grundschülern ins Gesicht geschrieben. (Foto: Stephan Rumpf)

Eine besondere Rundfahrt: Mit der Bildungstram erkunden Grundschüler die Innenstadt

Von Melanie Staudinger, München

Woher der Name München kommt, wissen die Viertklässler bereits. "Bei den Mönchen" hieß das ursprünglich, rufen die Kinder. Sie kennen auch Kaiserin Sisi und können erklären, warum die Münchner statt Oktoberfest immer nur Wiesn sagen. Der Maibaum aber auf dem Wiener Platz stellt die Schüler auf eine Probe: Was er ist, wissen sie. Wozu er aber dient, das haben sie noch nicht gelernt. Stadtführerin Astrid Neubert kann helfen. Und dann erinnern sich die Mädchen und Jungen doch. Auf dem Land werde der doch immer geklaut, sagt Amelie. Das habe sie im Radio gehört.

Die Schüler der Klasse 4a von der Grundschule am Hedernfeld in Großhadern haben heute einen besonderen Heimat- und Sachunterricht. Sie sitzen nicht im Klassenzimmer und hören ihrer Lehrerin Birgit Biedermann zu, sondern sie fahren mit ihr und Schulleiterin Gabriele Strehle in einer Tram durch die Innenstadt. Zu dieser besonderen Stadtrundfahrt hat die Bildungsstiftung der Stadtwerke München gut 40 Klassen eingeladen. Unter dem Slogan "Bildung hat Vorfahrt" fährt die in Regenbogenfarben gestaltete Straßenbahn durch München, damit macht sich die Bildungsstiftung selbst ein Geschenk zum zehnten Geburtstag. Eingeladen werden vor allem Dritt- und Viertklässler aus Schulen am Stadtrand. "Ihr eigenes Viertel ist den Kindern vertraut, doch viele kommen selten in die Innenstadt", sagt Martin Janke, Geschäftsführer der Bildungsstiftung, die im Jahrzehnt ihres Bestehens bisher etwa 7000 junge Menschen in 98 Projekten unterstützt hat.

Auch den Kindern vom Hedernfeld macht die Stadtrundfahrt sichtlich Spaß, dass sie viel dabei lernen, merken sie gar nicht. Los geht es am Max-Weber-Platz. Fahrer Andreas Pudelko fädelt seine Tram in das normale Liniennetz ein. Das große Ziel: Wer als erster den Obelisken am Karolinenplatz sieht, darf die Tramglocke läuten. Das weckt die Aufmerksamkeit der Mädchen und Buben. Während die Straßenbahn sich durch Haidhausen schlängelt, erfahren sie viel über die Münchner Geschichte. Ungefähr auf der Höhe, auf der einst Heinrich der Löwe seine Isarbrücke errichtete und damit quasi München gründete, überqueren auch sie die Isar.

Die Ludwigsbrücke führe über die Museumsinsel, erklärt Neubert. Davor: das Volksbad, dessen Wasser ziemlich kalt sei, was der Stadtwerke-Sprecher freilich sofort korrigiert. Mittendrauf: Die blaue Schiffsschraube vorm Deutschen Museum erkennen die Kinder sogleich. Jede Klasse der Grundschule besucht es mindestens einmal jährlich. Dahinter: das Isartor, wo man früher Zoll auf Salz bezahlen musste und man heute das "Valentin Musäum" besichtigen kann.

Weiter geht es durch das Gärtnerplatzviertel, in dem momentan wieder schwule Ampelmännchen und lesbische Ampelfrauen leuchten. "Pärchenampeln", sagen die Kinder. Einig sind sie sich nicht ganz, wie viele Einwohner München denn hat. Die Schätzungen liegen zwischen einer und 82,2 Millionen. Dann kommt schon das Sendlinger Tor und davor die für Kinder spannende Riesenbaustelle. Dass es am Karlsplatz mal einen Biergarten namens Stachus gab und deshalb bis heute kein Einheimischer Karlsplatz sagt, erzählt Neubert ein paar Hundert Meter weiter. Dann biegt die Bahn in die Barer Straße - und plötzlich taucht er auf am Horizont, der Obelisk. Hier mitten in der Stadt darf die Tram aber nicht klingeln. Dafür müssen die Kinder noch warten, bis sie über die Maxvorstadt und Schwabing am Olympiapark angekommen sind. "Da merkt man erst, wie dicht das Straßenbahnnetz in München ist", sagt Stiftungsgeschäftsführer Janke. Und das, obwohl seit den Dreißigerjahren immer wieder über den Sinn der Tam diskutiert werde. Tatsächlich sind die Kinder mehr als eine Stunde lang unterwegs, bis sie zum Max-Weber-Platz zurückkehren.

© SZ vom 14.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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