Neue Betrugsmasche:Kriminelle Bande modifiziert Enkeltrick

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  • Die Polizei hat Hinweise, dass eine vermutlich polnische Bande wieder in München aktiv ist.
  • Die kriminelle Gruppierung war Ende 2015 in Polen ausgehoben worden.
  • Nun haben die Kriminellen die Betrugsmasche verändert und schocken die angerufenen Renter mit schlechten Nachrichten aus dem Gericht.

Von Martin Bernstein

Sie sind wieder da - mit einer neuen Masche. Münchner Ermittler haben Hinweise, dass eine in Polen Ende 2015 ausgehobene Bande erneut in München aktiv ist. Um alten Menschen sehr viel Geld abzunehmen, hat die Gruppierung dafür ihren vor 20 Jahren erfundenen "Enkeltrick" modifiziert. Jetzt spielen auch falsche Polizeibeamte oder angebliche Gerichtsmitarbeiter eine Rolle in dem üblen Spiel. Mit so genannten "Schockanrufen" bringt die Bande ihre Opfer dazu, einem Abholer Zehntausende Euro in die Hand zu drücken. Erfunden wurde die Masche bereits vor vier Jahren von einer litauischen Bande, die es damals jedoch überwiegend auf russischstämmige Opfer abgesehen hatte.

Die neue Welle der Betrugsanrufe kann jeden treffen. Die Täter suchen sich Menschen mit "alt" klingenden Vornamen aus. Ein Allacher, 88, wurde am Dienstag vergangener Woche ihr erstes Opfer in München. Ein angeblicher Polizist meldete sich am Telefon. Er behauptete, er rufe im Auftrag des Amtsgerichts München an. Der Sohn des Allachers stehe soeben vor einem Richter - er sei an einem schweren Verkehrsunfall beteiligt gewesen, könne keine Versicherung vorweisen und müsse nun zur Abwendung einer Haftstrafe 72 000 Euro zahlen. Bereits am Mittag übergab der 88-Jährige im Bereich Schönleutner- / Peter-Winter-Straße 40 000 Euro an einen etwa 30 Jahre alten, auffallend dicken Mann, der sich ihm als "Herr Schwarz vom Amtsgericht" vorstellte. Erst als der Allacher am Nachmittag bei seiner Bank den restlichen Betrag abheben wollte, schöpfte ein Mitarbeiter Verdacht und rief die Polizei.

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27 derartige Fälle haben Erster Kriminalhauptkommissar Jens Liedhegener und sein Team von der Arbeitsgruppe "Phänomene" binnen einer Woche registriert. Die Dunkelziffer dürfte freilich viel höher sein. In 22 Fällen blieb es beim Versuch. Dreimal konnten die Ermittler nach Hinweisen aufmerksamer Bankangestellter den Betrug gerade noch verhindern. Zweimal war die Bande jedoch erfolgreich. Und das macht Liedhegener große Sorgen. Denn während Betrüger mit der Masche "falsche Polizisten" nur in jedem 100. Fall an das Geld ihrer Opfer kommen, glaubten schon fünf der aktuell betroffenen Münchner die Lügengeschichte vom Verwandten in Not.

So wie eine 76-Jährige aus Aubing. Am Montag rief auch bei ihr ein angeblicher Polizist an. Seine Geschichte versetzte die Frau in Angst und Schrecken. Ihre Tochter habe mit einem nicht versicherten Pkw einen Unfall gehabt, log er. Dabei seien Kosten in Höhe von 74 000 Euro entstanden. Die Summe müsse unverzüglich bezahlt werden - sonst komme die Tochter ins Gefängnis. Die Aubingerin holte sofort Geld von ihrer Bank und übergab 35 000 Euro einem angeblichen Gutachter. Der Abholer soll ein dickes Gesicht mit Sommersprossen und braune, zum Scheitel gekämmte Haare haben. Er trug eine kurze, schwarze Hose sowie ein helles T-Shirt und hatte eine schwarze Umhängetasche dabei. Nach der Geldübergabe wurde die Frau misstrauisch. Sie verfolgte den Abholer mit dem Fahrrad und stellte ihn an der Kreuzung Wiesentfelser/Limesstraße. Der Abholer reagierte clever: Er rief einen Komplizen an, der sich erneut als Polizist ausgab.

Die "Phänomene"-Ermittler haben bereits herausgefunden, dass die Anrufe aus Polen kommen. Offenbar, so Liedhegener, steckt dieselbe organisierte kriminelle Gruppierung dahinter, die seit den Razzien des Jahres 2015 in Breslau, Posen und Danzig mit ihrem Enkeltrick einen großen Bogen um München gemacht hatte. "Rate mal, wer dran ist ..." - vor Anrufen dieser Art blieben die Münchner vier Jahre lang weitgehend verschont. Gerade einmal 23 Versuche wurden 2017 bekannt, 52 waren es im vergangenen Jahr. Heuer riefen Enkeltrickbetrüger schon mehr als hundert Opfer in München an. In sechs Fällen erbeuteten sie 120 000 Euro. Doch die Schockanrufe sind noch erheblich schadensträchtiger.

© SZ vom 24.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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