Frauen in der Kirche:"Wir fordern nichts anderes als das, was gängige Menschenrechte sind"

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Im Februar 2020 machte Maria 2.0 Furore: In einer bundesweiten Aktion schlugen Aktivistinnen Thesenpapiere an Kirchentüren. (Foto: Rolf Vennenbernd/dpa)

Welche Rolle sollten Frauen in der katholischen Kirche haben? Die Bewegung Maria 2.0 fordert tief greifende Reformen - und bekommt Widerspruch nicht nur von Männern.

Von Daniel Hinz, Lisa Oppermann und Alexandra Pöhler

Sie versorgen Kranke, halten Vorträge, leisten Seelsorge - und sie machen so viel mehr: Zehntausende Frauen engagieren sich in der katholischen Kirche. Die gleichen Rechte wie männliche Katholiken haben sie dennoch nicht, Priesterin dürfen sie nicht werden, und auch nicht Diakonin. Viele Frauen wollen nicht länger hinnehmen, dass die Hälfte der Menschheit von der katholischen Amtskirche diskriminiert wird. "Wir fordern nichts anderes als das, was gängige Menschenrechte sind", sagt Katrin Richthofer. Die 51-Jährige ist Mitglied von Maria 2.0, einer 2019 gegründeten Reformbewegung innerhalb der katholischen Kirche. Mehr als 1500 Frauen und Männer haben sich ihr angeschlossen, in München hat Maria 2.0 nach eigenen Angaben ungefähr 60 Mitglieder. Die Debatte um die Stellung der Frau ist eine der brisantesten im katholischen Kosmos.

Im Februar 2020 machte Maria 2.0 Furore: In einer bundesweiten Aktion schlugen Aktivistinnen Thesenpapiere an Kirchentüren - wie angeblich Martin Luther vor gut 500 Jahren. Statt 95 Thesen hat Maria 2.0 lediglich sieben. Die Frauen fordern unter anderem das Ende des Pflichtzölibats, lückenlose Aufklärung der Missbrauchsfälle, Akzeptanz aller selbstbestimmten sexuellen Orientierungen und die Weihe für Frauen. Selbstverständliche Forderungen? Keineswegs. Widerspruch kommt nicht nur von offizieller kirchlicher Seite, sondern auch von Frauen.

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Dorothea Schmidt etwa nennt die Forderungen "uferlos". Sie ist eine der Mitbegründerinnen von Maria 1.0, einer Bewegung, die als Reaktion auf Maria 2.0 entstanden ist. "Das 2.0 ist Etikettenschwindel", sagt Schmidt, die in München als freie Redakteurin arbeitet. "Die Bewegung suggeriert, dass Maria moderner und damit besser sein soll. Aber man kann sie nicht verändern und dem Zeitgeist anpassen."

Bei Maria 1.0 machen in München laut Schmidt um die 50 Frauen mit; nachprüfen lässt sich die Zahl der Aktiven bei keiner der beiden Gruppen, die Maria im Namen führen, da es keine offiziellen Mitgliedschaften gibt.

Dorothea Schmidt ist Mitglied von Maria 1.0 - und widerspricht der anderen Bewegung in vielen Punkten. (Foto: Privat)

Dass sie als Frau keine Weihe empfangen darf, sieht Schmidt nicht als Einschränkung: "Frauen haben einen Anteil am Reich Gottes. Und wir haben viel mehr Freiheiten, weil wir keinem Amt gerecht werden müssen." Jesus habe als Nachfolger einen Mann auserwählt, Männer als seine Jünger, und die Kirche habe keine Macht, das zu ändern.

Für Maria Ladenhauf ist das ein schwaches Argument. Im Februar 2021 hat die 36-Jährige ihre Ausbildung zur Ordensfrau begonnen, bei den Missionarinnen Christi in München, einer jungen Ordensgemeinschaft, die in den 1950er-Jahren gegründet wurde. Weltweit hat der Orden nur ungefähr 135 Angehörige, sie arbeiten auch in Brasilien und Afrika. Die Novizin Ladenhauf unterstützt die Forderungen von Maria 2.0 und fragt: "Die ersten Jünger waren Fischer - warum verlangt man von Priesteramtskandidaten jetzt keine Fischereiprüfung?" Selbst aktiv ist sie allerdings nicht bei Maria 2.0, und sie glaubt: Viele Frauen, die für die Kirche arbeiten, hätten Angst, so offen Kritik an ihrem Arbeitgeber zu äußern.

Für Ursula Kalb, 61, sind andere als die innerkirchlichen Fragen zentral. Sie hat in den frühen 80er-Jahren den deutschen Ableger von Sant'Egidio mitgegründet, die christliche Laiengemeinschaft aus Rom hat heute allein in München rund 800 Mitglieder. Im Zentrum ihres Wirkens steht die Hilfe für Bedürftige, seien es Obdachlose oder Flüchtlinge. Wenn es nach Kalb ginge, solle sich die Kirche mehr auf diese Arbeit konzentrieren und weniger auf ihre inneren Kämpfe: "Um etwas in der Welt verändern zu können, um für den Frieden zu arbeiten, ist eine Einheit natürlich besser als lauter kleine Grüppchen, die alle ihren eigenen Weg gehen."

Die Zahl der Katholikinnen und Katholiken im Erzbistum München und Freising ist zwar nach wie vor hoch: 2020 waren mehr als anderthalb Millionen Mitglied, gut die Hälfte von ihnen Frauen. 2019 aber traten gut 27 000 Menschen aus, ein Rekordwert der letzten zehn Jahre, und vergangenes Jahr verließen etwa 22 500 Menschen im Erzbistum die Kirche.

Die Gemeinschaft und Einheit, von der Kalb spricht, sieht die Novizin Maria Ladenhauf gefährdet: Sie glaubt, dass nur eine geschlechtergerechte Kirche eine Zukunft habe. Andernfalls würde die Kirche nicht mehr zur modernen Gesellschaft passen. So sei es auch mit dem Verbot des Vatikans, gleichgeschlechtliche Paare zu segnen. Sie stimmt dem Protest dagegen von Maria 2.0 zu.

Auch Ursula Kalb versteht den Wunsch nach einer Segnung gleichgeschlechtlicher Paare. Sie befürchtet aber, dass eine "spontane Erlaubnis" zu einer Spaltung der Kirche führen könnte. Weltweit sei die Zustimmung nämlich nicht so eindeutig, wie es in Deutschland oft scheint: "Es zeigt mal wieder, dass unter dem Dach Kirche verschiedene Menschen leben."

Katrin Richthofer ist Mitglied von Maria 2.0. (Foto: Privat)

Eine Spaltung hält Katrin Richthofer von Maria 2.0 für denkbar. Immerhin habe es schon mehrere gegeben - die bekannteste war jene wegen Luther, aber auch die Altkatholiken trennten sich. Die aktuelle Situation sei verheerend: "Die Kirche blutet aus", sagt sie. "Wir verlieren Menschen, Menschen, Menschen. So, wie es jetzt ist, scheint das Modell katholische Kirche nicht zukunftsfähig."

Eine Spaltung streben die Aktiven bei Maria 2.0 dennoch nicht an. Sie wollten dem Spektrum der katholischen Kirche weitere, progressive Strömungen hinzufügen, zum Beispiel moderne Frauengottesdienste anbieten, ohne dass die konservativen Richtungen auf der Strecke bleiben. "Einheit in Vielfalt", so drückt es Richthofer aus. Und sie bleibe auch dabei in der Kirche, um der konservativen Seite nicht das Feld zu überlassen. "Ich will mich nicht aus meiner Kirche vertreiben lassen!"

© SZ vom 07.08.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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