Umwelt und Naturschutz:Münchens verrückteste Käfer

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Der Irisrüssler ist in Feuchtgebieten zu finden. (Foto: Markus Bräu)

Einer legt seine Eier nur in Schwertlilien ab, ein anderer riecht nach Moschus und wieder ein anderer bastelt aus einem Blatt eine schützende Hülle für den Nachwuchs - wer alles durch München krabbelt, zeigt eine neue Broschüre.

Von David Pister

Einem Dichtpunktierten Walzenhalsbock werden die wenigsten Münchnerinnen und Münchner schon Auge in Auge gegenübergestanden sein. Vielen würde obendrein nicht klar sein, dass es sich dabei um eine heimische Käferart handele. "Wir merken, dass das Wissen über die Natur und die Tiere, die sie bevölkern, weniger wird, obwohl die Informationsmöglichkeiten stetig zunehmen", sagt Rudolf Nützel, Geschäftsführer der Kreisgruppe München des Bund Naturschutz (BN).

Der BN und das städtische Referat für Klima- und Umweltschutz stellen deswegen in der kostenlosen Broschüre "Käfer in München" eine Auswahl außergewöhnlicher oder hinsichtlich ihrer Lebensweise besonders interessanter Käfer vor. Es ist das neunte Projekt dieser Reihe und soll Kinder, Jugendliche und Erwachsene dazu einladen, ihre Umwelt besser kennenzulernen.

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"Es ist eine Einladung zum Naturerlebnis. Wenn man genau hinschaut, kann man viel entdecken", sagt Nützel. Direkt vor der Haustür, in Gärten und in Parks, aber vor allem in naturnahen Biotopen lebe eine ungeahnte Vielfalt an Käfern. Laut Nützel habe es in den vergangenen 200 Jahren circa 1800 verschiedene Käferarten im Münchner Stadtgebiet gegeben. Der Bestand sei jedoch zurückgegangen: Seit der Jahrtausendwende habe man nur noch zwei Drittel der Zahl, also etwa 1200 Arten, nachweisen können. Allgemein seien vor allem einige wenige auffällige Käferarten bekannt.

Der Klimawandel lässt manche Arten aussterben und andere aufleben

Die Broschüre soll zur Beschäftigung mit Unbekannten anregen - oder wer hat schon einmal vom Irisrüssler, dem Moschusbock oder dem Vierfleck-Rindenläufer gehört? "Man merkt den Klimawandel", sagt Nützel. "Einige Arten sterben aus, während sich andere Käferarten ansiedeln, die noch nie dagewesen sind." Neben den äußeren Merkmalen und Besonderheiten der Käfer erfährt man in der Broschüre auch, wo die Käferarten zu finden sind.

In München gibt es die verschiedensten Lebensräume für die artenreichste Gruppe der Insekten: So lebt der Eichelbohrer in Wäldern wie dem Truderinger Wald. Der Landkarten-Raublattrüssler bewohnt Trockenbiotope wie die Fröttmaninger Heide. In Feuchtgebieten wie der Moosschwaige findet man den Irisrüssler und auf trockenen Kiesbänken der Isar kann man den Kiesbank-Sandläufer beobachten. "Käfer sind ein sehr wichtiger Teil der biologischen Vielfalt in München. In unserer zunehmend intensiver genutzten Agrarlandschaft stellen vielfältige Stadtbiotope wichtige Oasen nicht nur für Insektengruppen wie die Käfer dar, sondern auch für die Stadtbevölkerung", so Nützel.

Beim Großteil der Käferarten handele es sich um wichtige Glieder der Nahrungsketten und der ökologischen Kreisläufe. Außerdem würden Naturerlebnisse als Gegenpol zum hektischen Treiben in der Großstadt zur Entschleunigung immer wichtiger, so Nützel. Wenn man genau hinschaut, erkennt man vielleicht beim nächsten Spaziergang den ein oder anderen Vertreter der Käferarten wieder.

Hirschkäfer

Die Larven des Hirschkäfers fressen sich sieben Jahre lang durch Wurzeln hindurch. (Foto: Ingrid Altmann)

Den Hirschkäfer übersieht man so schnell nicht - wenn man ihn denn sieht. Der größte Käfer Deutschlands ist selten geworden. Das Männchen ist wegen seiner geweihartigen Oberkiefer unverkennbar. "Ein gewaltiges Insekt", so Nützel. In der Allacher Lohe wurde das letzte Mal in den Neunzigern ein Exemplar gesichtet. Dort hat der BN nach dem Fund von Resten toter Hirschkäfer nun Eichenstämme vergraben - in der Hoffnung, dass Weibchen dort wieder Eier an das tote Holz legen. "Wenn man in München wieder leibhaftige Hirschkäfer beobachten könnte, wäre das eine Sensation", sagt Nützel.

Irisrüssler

Der Irisrüssler ist in Feuchtgebieten zu finden. (Foto: Markus Bräu)

Der Irisrüssler ist ein feuchtigkeitsliebender Käfer. Man findet ihn vor allem an Orten, wo Schwertlilien wachsen - dort legt das Weibchen ihre Eier in die jungen Früchte der Pflanze. Diese seien laut Nützel besonders nährstoffhaltig. "Mit dem Rüssel sieht der Käfer aus wie ein Alien", so Nützel. Mit eben diesem ausgeprägten Rüssel bohren sich die Käfer in die Pflanzen, um sich davon zu ernähren. Neben Münchner Feuchtgebieten wie dem Schwarzhölzl und der Moosschwaige kann man den Irisrüssler auch in Gärten mit Teichen beobachten - sofern dort Schwertlilien wachsen.

Moschusbock

Früher wurde das moschusartig riechende Sekret des Moschusbocks zum Parfümieren von Pfeifentabak verwendet. (Foto: Markus Bräu)

Der Name dieser Käferart ist auf ein stark moschusartig riechendes Sekret zurückzuführen, das die Tiere absondern können. Früher wurde es zum Parfümieren von Pfeifentabak verwendet. "Wenn man den im Lupenglas fängt, dann riecht das schon", sagt Nützel. "Ob der Duft angenehm ist, ist immer relativ." Der Moschusbock ist nicht nur wegen seiner Größe von bis zu vier Zentimetern kaum zu verwechseln. In der Sonne schillert er in vielen Farben: blauviolett, grünlich oder auch bronzefarben. In München wurde er in der Eggartensiedlung gesehen - die Larven entwickeln sich vor allem in Weiden.

Schwarzer Stachelkäfer

Die Dornen des Schwarzen Stachelkäfers sind einzigartig. (Foto: Markus Bräu)

Mit drei bis vier Millimetern ist der Schwarze Stachelkäfer eine relativ kleine Käferart. "Da geht es um das genaue Hinschauen", sagt Nützel. Aus nächster Nähe betrachtet ist der Käfer wegen seiner bizarren Stacheln ein Blickfang. Der Schwarze Stachelkäfer lebt in trockenem, magerem Grasland in sonnig-warmen Lagen. In München ist er zum Beispiel im Nymphenburger Park oder im Riemer Wald zu sehen. "Wie alle Käfer wollen die nicht gefressen werden", sagt Nützel. Die Stacheln auf seinem Körper soll es Vögeln erschweren, die Käfer zu verschlucken.

Haselblattroller

In einem selbstgebauten Blattwickel entwickelt sich die Larve des Haselblattrollers. (Foto: Markus Bräu)

Der Haselblattroller hat eine besondere Art, seine Brut zu pflegen. "Das ist etwas einmaliges", sagt Nützel. Die Eier legt das Weibchen in einen vorher selbst hergestellten Blattwickel, der als Kinderwiege dient. "Der Käfer schneidet ein Blatt kunstvoll zurecht und rollt es dann von der Spitze her auf", so Nützel. Am Ende werde der Wickel durch Einschlagen der Blattzipfel und durch Rüsselstiche fest verschlossen. In München ist der Haselblattroller nicht selten. Er lebt insbesondere an Haseln zum Beispiel im Nymphenburger Park oder an den südlichen Isarauen.

Ameisensackkäfer

Wird der Ameisensackkäfer angegriffen, stellt er sich tot. (Foto: Markus Bräu)

Die Larven des Ameisensackkäfers wachsen in Ameisenbauten auf. Nachdem das Weibchen die Eier in der Nähe eines Ameisennests abgelegt hat, tragen Ameisen das vermeintliche Nestmaterial in ihren Bau. "Die Weibchen bauen einen Sack aus ihrem eigenen Kot, der sie vor den Ameisen schützen soll", sagt Nützel. Die Larven fressen Nahrungsreste und Beutetiere der Ameisen sowie deren Brut. Nach dem Schlüpfen fliehen die Käfer ins Freie. Werden sie von den Ameisen angegriffen, können sie sich totstellen. Der Ameisensackkäfer lebt in München in eher trockenen Extensivwiesen und Magerrasen.

Unter www.bn-muenchen.de sowie unter stadt.muenchen.de/infos/muenchens-fauna.html steht die Broschüre zum Download bereit - außerdem liegt das 48-seitige Heft kostenlos im Referat für Klima- und Umweltschutz (Bayerstraße 28a) und beim BN aus (Pettenkoferstraße 10a).

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