Zum ersten Mal hat die Münchner Polizei das umstrittene Polizeiaufgabengesetz angewendet, um etwas zu tun, das in Strafverfahren bundesweit nicht erlaubt ist: Sie hat DNA-Spuren von einem Tatort analysieren lassen, um Haarfarbe, Augenfarbe und Herkunft eines mutmaßlichen Täters in Erfahrung zu bringen.
Jeder, der sich an den Isarmord erinnert, der sich an einem warmen Frühlingsabend vor sieben Jahren mitten in München ereignete, kann nachvollziehen, dass die Ermittler alle Möglichkeiten ausschöpfen wollen, um den Täter zu finden. Auch aus der Sicht der Hinterbliebenen, insbesondere der Verlobten des Opfers, ist dieser Wunsch verständlich. Ja selbst für die Bürger der Stadt, die sich verunsichert fühlen, wenn so ein Verbrechen nicht aufgeklärt wird.
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Eine spezielle DNA-Analyse, die in Deutschland gar nicht zugelassen ist, schränkt den möglichen Täterkreis zwar ein. Eine heiße Spur bringt das aber nicht.
Problematisch ist dagegen der Weg, auf dem diese Maßnahme zustande kam: Das Polizeiaufgabengesetz erlaubt sie seit 2018 zur Gefahrenabwehr. Wann aber kann man wirklich davon sprechen, dass eine Gefahr für die Bevölkerung besteht? Wenn der Isarmörder innerhalb von mittlerweile sieben Jahren offenbar nicht wieder zugeschlagen hat, kann man wohl kaum behaupten, dass da einer mordend durch die Straßen zieht, sodass sich niemand mehr vor die Tür traut und die Polizei zu unkonventionellen Mitteln greifen muss. Gut möglich, dass der Mann nur zu Besuch in München war und längst woanders lebt.
Die Gefahrenabwehr ist also ein sehr dehnbarer Begriff. Ist letztlich nicht alle Polizeiarbeit irgendwo auch Gefahrenabwehr? Schließlich ist einer der Gründe für Strafvollzug - außer der Bestrafung der Täter und ihrer Resozialisierung - eben der Schutz der Gesellschaft vor neuen Taten. Es hat lange Debatten um den Nutzen und die Gefahren aus der vertieften DNA-Analyse gegeben. Letztlich hat sich die Mehrheit der Volksvertreter dagegen entschieden, sie zuzulassen. Solange sie nicht zu einer neuen Bewertung kommen, ist es zumindest bedenklich, wenn ein Polizeiaufgabengesetz dafür eine Hintertür öffnet.