München:Immer gut für Schlagzeilen

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Abi-Affäre, marode Pavillons, Schichtunterricht, aber auch allerlei renommierte Auszeichnungen und die Gabe, Talente zu heben: Das Thomas-Mann-Gymnasium feiert sein 50-jähriges Bestehen

Von Jürgen Wolfram

Fürstenried - Wie sich die Bilder gleichen. Heute wie vor einem halben Jahrhundert prägen starker Zuzug, Platznot in den Schulen und Bürger, die vehement den Ausbau der Infrastruktur anmahnen, den Münchner Alltag. Damals, mit dem Schuljahr 1967/68, mündete dieses Szenario in die Eröffnung des städtischen Thomas-Mann-Gymnasiums (TMG). "Manches ändert sich eben nicht so sehr, wir stehen auch im Schulwesen erneut vor großen Herausforderungen", kommentierte Bürgermeisterin Christine Strobl am Mittwoch beim Festakt zum Fünfzigsten der Schule den Lauf der Dinge. Strobl rief "enorme" Wachstumsschübe in Erinnerung; so habe das TMG schon mal 1600 Schülerinnen und Schüler gezählt. Aktuell sind es gut 900. Das Gymnasium im Südwesten der Stadt habe jedenfalls ein Stück Münchner Geschichte mitgeschrieben. Was Manfred Saller, der erste aller TMG-Direktoren, auf seine alten Tage gern bestätigte.

Als Hort der Kreativität wird das Thomas-Mann-Gymnasium gerühmt - zu hören beim Festakt. (Foto: Fotos: Catherina Hess, Angelika Bardehle, privat)

Tatsächlich ist das TMG zu jeder Zeit seines Bestehens für Schlagzeilen gut gewesen. Mal erregte es Aufsehen, weil es seine Sportanlagen kurzerhand in den Südpark transferieren wollte, mal soll ein Schulleiter Abiturienten beim Mogeln geholfen haben ("Abi-Affäre"). Dann sind Pavillons errichtet und wegen Baumängeln alsbald wieder geschlossen worden. Über Jahre gaben zudem Schichtunterricht und Wanderklassen Anlass zu Beschwerden. Doch auf dem historischen Habenkonto der Schule stehen ebenso Bestnoten und renommierte Auszeichnungen. Das TMG ist das erste Gymnasium in München mit Computerkursen gewesen, es erwarb sich das Prädikat "Schule ohne Rassismus", holte den Titel "Umweltschule in Europa", inszenierte Kochaktionen zugunsten von Flüchtlingen. Für Beatrix Zurek, Chefin des Münchner Bildungsreferats, erfüllt das TMG den Bildungsauftrag daher "in hervorragender Weise". Zurek bescheinigte dem Gymnasium ferner eine ausgeprägte Gabe, "Talente zu heben".

Eine Entsalzungsanlage, die zwei Schüler für „Jugend forscht“ vor einigen Jahren bauten. (Foto: N/A)

Einer dieser Musterschüler, Christoph Wöss, durfte sich zur Feier des Tages seiner "glücklichen Jahre" am TMG erinnern. Später Auslandskorrespondent des Bayerischen Rundfunks, rühmte Wöss den intensiven, berufsorientierenden Schüleraustausch mit französischen Klassen sowie die Publikumserfolge der schulischen Theatergruppe. Allein zu einer hausgemachten "Feuerzangenbowle" unter Lehrerbeteiligung seien 1000 Zuschauer gekommen. "Es gab zwar Flowerpower und Studentenbewegung, aber eine Revoluzzerschule ist das TMG nie gewesen", fiel dem Ehemaligen sonst noch ein. Vielmehr habe stets ein Geist der Hilfsbereitschaft das Gymnasium geadelt. Das TMG sei eben nicht der graue, hässliche Kasten, der er, äußerlich betrachtet, zu sein scheint, sondern ein Hort der Empathie und Kreativität. Wie weit die seinerzeit reichte, verriet Wöss im Nachhinein freimütig. Letzte Rettung bei hochnotpeinlicher Befragung ahnungsloser Schüler: "Blaue Tinte auf Kreide tropfen lassen. Der Trick wirkt wie eine Stinkbombe, verschafft von daher Zeitgewinn."

Der erste Direktor des Thomas-Mann-Gymnasiums: Manfred Saller (Foto: Privat)

Weil das Zusammenspiel zwischen Schülern, Eltern und Lehrern in der Schulgemeinde offenbar so gut klappt, wie auch von Schulleiterin Bärbel Ebner beschworen, erschien ein Jubiläumsfestakt im noblen Ambiente des Prinzregententheater niemandem übertrieben. Außerdem: 50 Jahre, welch eine Zeit. Als die Schule aus der Taufe gehoben wurde, hieß der Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger, Eintracht Braunschweig war deutscher Fußballmeister und an der Spitze der Hitparade standen die Beatles. Das TMG wiederum verfügte zunächst nicht mal über ein eigenes Gebäude, sondern musste im Bau der Sambergerschule an den Start gehen. Daran gemessen habe sich die Schule glänzend entwickelt, befand der Ministerialbeauftragte für Gymnasien, Christoph Henzler: Sie pflege einen "hohen pädagogischen Anspruch", sei innovativ und von toleranter Denkungsart. Langeweile und Angst habe sie aus ihren Räumen verbannt, ganz so, wie Golo Mann, der Sohn des Namensgebers, es ihr einst wünschte.

Nichts bleibt, wie es ist; Veränderung war denn auch beim eindrucksvoll bunten Festakt mit Musik und Tanz ein großes Thema, sogar in Gedichtform. Was sich über die Jahre vor allem verändert hat? "Eltern, Lehrer und Schüler verstehen sich heute mehr als Partner, die miteinander und voneinander lernen", konstatierte Andreas Werner im Namen des Elternbeirats und des schulischen Fördervereins. Die politisch Verantwortlichen rief Werner auf, "an der Ausstattung des Gymnasiums dran zu bleiben" und Verantwortlichkeiten klar zu regeln. Noch sei es nämlich so, dass für die Uhren im TMG unterschiedliche städtische Referate zuständig sind, je nachdem wo die Chronometer hängen.

© SZ vom 08.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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