München:"Ich will etwas Neues lernen"

Lesezeit: 2 min

Ein Modellprojekt qualifiziert die Teilnehmer in allen Fragen der Hauswirtschaft

Von Elena Eggert, München

"Hauswirtschaft kann doch jeder. Warum muss man das lernen?" Diese Frage stellten sich viele, aber die eigentlichen Tätigkeiten würden unterschätzt, bemängelt Christine Hopf, Leiterin des Projekts "Regiestelle Hauswirtschaft". Die gemeinnützige Organisation Diakonia hat das Modellprojekt zusammen mit dem Referat für Arbeit und Wirtschaft in diesem Jahr gestartet, um Menschen, die im hauswirtschaftlichen Bereich tätig sind, zu fördern und weiterzubilden. Das Projekt richtet sich besonders an Menschen in schwierigen Lebenslagen oder solche mit Migrationshintergrund. "Wir wollen Menschen helfen, ihre Stärken zu erkennen und diese auszubauen", beschreibt Christine Hopf das Ziel.

Das Modellprojekt ist keine klassische Ausbildung, sondern eine sechsmonatige "Qualifizierung", bei der die Teilnehmer ihr Fachwissen ausbauen und auch ihre Deutschkenntnisse verbessern können. Die Ausbildung der Beschäftigten sei sonst eher mangelhaft und viele Arbeitsverhältnisse, besonders im Privatbereich, seien nicht einmal angemeldet, so Stadtrat Christian Müller (SPD). Mit den zwei Schwerpunkten Hauswirtschaft in Kindertagesstätten und Hauswirtschaft im Privathaushalt will die Diakonia zusammen mit dem Referat für Arbeit und Wirtschaft dem entgegenwirken.

Marlene Olivera ist eine der ersten Teilnehmerinnen. Seit zwei Jahren arbeitet sie im hauswirtschaftlichen Bereich einer Kita. Ihr ist Sauberkeit wichtig. Besonders im Umfeld von Kindern sollte ihrer Meinung nach alles ordentlich und gepflegt sein. Ihre Chefin, Halina Neteler, hat sie auf den Kurs aufmerksam gemacht. "Ich will etwas Neues lernen", beschreibt Marlene Olivera ihre Motivation und fügt hinzu, dass sie zum Beispiel noch nicht so gute Kuchen backen kann.

Die Qualifizierung kombiniert Theorie und Praxis. Ein Fachlehrer und ein Sprachlehrer, der bei sprachlichen Schwierigkeiten eingreift, leiten den Theorieunterricht an zwei Wochentagen. Dabei will Diakonia aber keinen Frontalunterricht anbieten, sondern den Teilnehmern ein Lernen in Gruppen ermöglichen. An den drei anderen Tagen sammeln die Teilnehmer praktische Erfahrungen in der Kita oder beim hauswirtschaftlichen Dienstleister.

Diakonia bietet je nach Schwerpunkt mehrere Module wie Speiseplanung, Reinigung und Einkauf an. Insgesamt müssen sechs dieser Module belegt werden, welche das sind, bestimmen die Teilnehmer selbst. "Wenn jemand schon sehr gut kochen kann, muss er diesen Teil nicht noch einmal machen", erklärt Christine Hopf. Nach vier Wochen werden die einzelnen Module mit einer mündlichen Prüfung abgeschlossen.

Die erste Unterrichtseinheit beginnt am 23. März. Bisher haben sich bereits 60 Teilnehmer für die Qualifizierung im Kita-Bereich gemeldet. Für den Privathaushalt ist es wesentlich schwieriger, Teilnehmer zu finden. "Hauswirtschaft hat in Deutschland ein Imageproblem", sagt Christine Hopf. In anderen europäischen Ländern, zum Beispiel in Frankreich, sei das anders, so Hopf. Dabei fehlen in München viele Fachkräfte für den hauswirtschaftlichen Bereich, besonders ältere Menschen sind auf die Unterstützung angewiesen.

Das Modellprojekt "Regiestelle Hauswirtschaft" wird vom Münchner Beschäftigungs- und Qualifizierungsprogramm finanziert. Die Kosten belaufen sich auf 624 800 Euro. Bis Sonntag, 1. März, können sich Spätentschlossene noch im Diakonia-Kaufhaus, Dachauer Straße 192, beraten lassen und zur Qualifizierung anmelden. Zudem eröffnet die Diakonia am Donnerstag, 19. März, ihr neues Büro an der Seidlstraße 4. Bei dieser Gelegenheit beantworten die Mitarbeiter von 11 Uhr an Fragen zum Projekt.

© SZ vom 28.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: