Hochhausstudie:Streit um die Lufthoheit

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Darf es noch ein bisschen höher sein? Schon das ehemalige Siemens-Hochhaus an der Baierbrunner Straße ist mit seinen 75 Metern für manchen Anwohner ein unverzeihlicher Ausreißer. (Foto: Stephan Rumpf)

Die Debatte, wie hoch in München gebaut werden soll, wird leidenschaftlich geführt. Die einen schimpfen über ein verhunztes Stadtbild, die anderen weisen auf den Wohnungsmangel hin.

Von Jürgen Wolfram

Im Stadtrat steht die finale Beratung der neuen Münchner Hochhausstudie bevor. Wie ein Prolog dazu haben in den Bezirksausschüssen leidenschaftliche Debatten über das sensible Thema begonnen. Welche Aspekte dabei mitschwingen, zeigt ein Beispiel aus dem Münchner Süden. Dort haben sich zuletzt die Lokalpolitiker des Stadtbezirks Thalkirchen-Obersendling-Forstenried-Fürstenried-Solln mit dem Entwurf der mehr als 200 Seiten starken Expertise befasst, kontrovers wie erwartet.

In den südlichen Vierteln, wo manche Bewohner schon das Siemens-Hochhaus mit seinen 75 Metern als unverzeihlichen Ausreißer betrachten und kürzlich noch heftig über die Frage gestritten wurde, ob die Höhenentwicklung im Bebauungsplangebiet Machtlfinger Straße einen 60-Meter-Deckel erfordere, oder ob 80 Meter auch noch tolerabel wären, scheiden sich die Geister besonders stark.

Die SPD, Teile der CSU und vor allem die ÖDP befürchten, die Höhenentwicklung könnte aus dem Ruder laufen. "Die Studie geht eindeutig in Richtung von immer mehr Wachstum, das lehne ich ab", sagte etwa Conrad Lausberg (ÖDP). Und Dorle Baumann, Fraktionssprecherin der SPD im Bezirksausschuss, wollte unter "vertikaler Nachverdichtung" keinesfalls primär Hochhäuser, sondern Aufstockungen verstanden wissen. Neue "Herrschaftssymbole", und nichts anderes seien die himmelwärts strebenden Monumente, brauche niemand, befand Hannelore Prechtel (SPD), diese verhunzten nur das Stadtbild.

Alexander Aichwalder (Grüne) hingegen legte ein klares Bekenntnis zu Hochhäusern ab - auch im eigenen Stadtbezirk. "Ohne diese kommen wir nicht aus, wenn wir den Wohnungsmangel in den Griff kriegen wollen." Aichwalder riet zugleich davon ab, den geologischen Höhenunterschied zwischen dem Münchner Norden und dem Süden, gute 100 Meter, als Argument gegen Hochhäuser ins Feld zu führen: "Wie soll das funktionieren, bauen wir die Gebäude bei uns dann bald unter die Erde?"

Hochhäuser seien nicht mit den Zielen des Klimaschutzes vereinbar

Die endgültige Stellungnahme des Bezirksausschusses liest sich moderater, als die Diskussion vermuten ließ. So ist die Rede davon, dass ökologische Belange einer "weiteren Nachschärfung" bedürften. Für die Aussage, die Entwicklung der Stadt sei ohne eine größere Zahl von Hochhäusern nicht möglich, fehlten entsprechende Studien, wird moniert. Zweifel äußert der Bezirksausschuss auch an Berechnungen, wonach der Versiegelungsgrad von Hochhäusern geringer sei als bei anderen Formen der Bebauung. Dagegen spräche schon der Bedarf an mehrstöckigen Tiefgaragen mit ihren breiten Zufahrten.

Positiv wertet der Bezirksausschuss "den Ansatz, die Diskussion um Hochhäuser von vornherein auf bestimmte Gebiete zu begrenzen und klare Prüfungskriterien festzulegen". Nur so könnten unerwünschte Folgen "weitgehend vermieden" werden. An anderer Stelle wird das Stadtteilgremium dann deutlicher: "Hochhäuser über 60 Meter Höhe sind aus ökologischen Gründen nicht mit den Zielen des Klimaschutzes vereinbar und darüber hinaus aus ökonomischen und sozialen Gründen zur Schaffung von Wohnraum ungeeignet." Soll heißen: Im Stadtbezirk unerwünscht.

Generell hält die Stadtteilvertretung die Hochhausstudie für eine geeignete Entscheidungs- und Diskussionsgrundlage. Die Vor- und Nachteile von Hochhausplanungen könnten mit ihrer Hilfe besser bewertet werden, hieß es. Auch räumt der Bezirksausschuss ein, dass München in Zukunft um eine "vertikale Nachverdichtung" nicht herumkommen werde und die Höhenentwicklung nicht das einzige Qualitätsmerkmal der Stadtentwicklung sein dürfe.

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