München:Hirschgeweih auf Rädern

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Mehr als 250 Rikscha-Fahrer gibt es mittlerweile in München. Die Konkurrenz ist groß. Musik, auffällige Designs, individuelle Routen - gerade zur Wiesn-Zeit ist das "Erste-Hilfe-Wagerl" sehr gefragt

Von Andreas Neukam, München

Für den Transrapid hat es ja damals nicht gereicht in der Landeshauptstadt. Also fahren die Leute, wenn sie eben nicht gerade selbst ans Steuer wollen, heute immer noch mit Bus, Bahn und Taxi durch München - oder eben mit der Rikscha. Gerade jetzt, wenn am Wochenende die Wiesn losgeht. Mit der Rikscha sei es, frei nach Edmund Stoiber, sogar möglich, schon zu Hause direkt in das Oktoberfest einzusteigen. Maximilian Zwez will mit seinen Rikschas vom "Lederhosen-Express" Besucher des Oktoberfests an der Haustür abholen und zur Theresienwiese kutschieren. Die Rikscha soll sozusagen das erste Fahrgeschäft der Wiesn sein. Wenn der "Lederhosen-Express" dann zum "Wiesn-Express" wird, geht es auch darum, sich durchzusetzen auf einem Markt, den der Konkurrenzkampf in den vergangenen Jahren mächtig durcheinandergewirbelt hat. Mehr als 250 Rikscha-Fahrer gibt es mittlerweile in München, fast doppelt so viele wie noch vor sieben Jahren.

Kurz vor 11 Uhr auf dem Marienplatz. Links drängen sich die Touristen aneinander und warten auf Herzog Wilhelm V., die Hauptfigur des Münchner Glockenspiels. Rechts warten die Rikscha-Fahrer auf die Touristen. "Das ist nicht wie in der Taxi-Schlange", sagt Dominic Staat. "Nicht der erste in der Reihe kriegt den ersten Kunden, sondern der Kunde sucht sich aus, mit welcher Rikscha er fahren will." Staat hat 1997 die Rikscha-Szene in München gegründet. Lange Zeit war er mit seinem Rikscha-Verleih "Pedalhelden" Marktführer. Mittlerweile soll ihn der "Lederhosen-Express" überholt haben. Neben den beiden Großakteuren gehört etwa ein Drittel des Münchner Rikscha-Markts "Einzelkämpfern", wie sie Staat nennt.

Die Rikscha-Fahrer versuchen den Kunden auch Sonderwünsche zu erfüllen. Zum Beispiel Musik während der Fahrt. (Foto: Robert Haas)

"Für jed's Spazl a Platzl" steht auf einer der Rikschas, die an diesem Vormittag vor dem Kaufhaus Ludwig Beck parkt. Genau genommen steht es da viermal, damit die Botschaft auch von jeder Seite gelesen werden kann. Die Fahrrad-Taxis des Lederhosen-Express' sind eigentlich keine Rikschas mehr, sie fahren bayerisches Lebensgefühl auf drei Rädern durch München: Kitsch inklusive. Die wuchtige Kabine für die Fahrgäste ist eingerichtet wie eine urige Almhütte mit Gardinen im Landhausstil und einem Hirschgeweih über den Sitzen. Unter der Lenkstange klemmt ein hölzernes Bierfass, allerdings leer. "Wir wissen natürlich, dass wir uns so von anderen absetzen können", sagt Firmengründer Maximilian Zwez. Viele, die bei ihm eine Rikscha mieten, fahren passend zur Marke in Tracht. "Bei manchen gilt: Je schriller, desto besser falle ich auf, desto mehr Kunden bekomme ich", konstatiert Dominic Staat, Chef der "Pedalhelden". Er meint Fahrer, die sich unabhängig von den großen Rikscha-Verleihern durchschlagen - nur sich selbst verantwortlich. Vor allem laute Musik ist ihm ein Dorn im Auge. "Wenn Fahrer ihre Rikschas kräftig beschallen, damit sie auffallen oder weil die Mitfahrer das toll finden, dann ist das Ruhestörung", sagt Staat. Trotzdem ist es mittlerweile Usus, dass jeder Rikscha-Fahrer einen Lautsprecher an Bord hat, mit dem Fahrgäste dann ihr Smartphone verbinden und ihre eigene Musik abspielen können. "Vor allem Araber wünschen sich immer, dass Musik läuft." Solange das leise bleibe, meint Staat, sei dagegen nichts einzuwenden. Bislang scheint sich niemand an zu lauten Rikschas zu stören, wenigstens hat sich in den vergangenen Jahren weder beim Kreisverwaltungsreferat noch bei der Polizei jemand beschwert. Schwarze Schafe, sagt Zwez vom Lederhosen-Express, gebe es aber immer, in jeder Branche.

Dominic Staat von "Pedalhelden". (Foto: Robert Haas)

Die Leute sind jedenfalls dankbar, dass es Rikschas gibt. Während der Wiesn seien 70 Prozent der Fahrgäste Münchner, sagt Zwez. Die Rikscha sei das beste, was der Wiesn habe passieren können. "Man kann sich das vorstellen wie ein Erste-Hilfe-Wagerl. Wenn die Leute abends von der Wiesn torkeln, dann haben sie keine Orientierung mehr, wollen schlafen oder noch was essen. Dann nimmt der Rikscha-Fahrer die Bedürfnisse des Kunden direkt wahr und fährt ihn dorthin, wo er hin möchte", philosophiert Zwez. Weil es um die Theresienwiese allerdings stockduster sei, sagt Dominic Staat, könne es schon sein, dass manche Fahrer sich eine zusätzliche Leuchtdiode an die Rikscha montiert hätten. Man werde dann von potenziellen Kunden besser gesehen, aber auch von den Autos, die auf der Straße unterwegs sind. Zu grell darf das Licht aber nicht sein. Staat schaut genau darauf, dass kein Verstoß gegen die Straßenverkehrsordnung das Image der Rikscha-Branche gefährdet.

© SZ vom 14.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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