Neonatologie:München-Klinik Harlaching startet Muttermilchbank

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Mit der neuen Frauenmilchbank können jetzt in Harlaching und Schwabing Frühchen mit gespendeter Muttermilch noch besser versorgt werden: Chefarzt Marcus Krüger, Oberärztin Silke Brodkorb mit ihrer Tochter Ida und Stationsleiterin Sabina Weigel (v.l.) freuen sich darüber. (Foto: Catherina Hess/Catherina Hess)

Sie ist die Zweite in der Stadt. Muttermilch ist das Beste, was ein Baby bekommen kann. Doch Frauen können sie nach einer Frühgeburt ihrem Neugeborenen oft nicht gleich geben.

Von Nicole Graner

Muttermilch ist süß. Das weißliche Gemisch aus Milchzucker, Casein, Kohlehydraten, Antikörpern, Immunzellen und 92,5 Prozent Wasser ist das Beste, was ein Baby bekommen kann. In einem Tropfen Muttermilch finden sich mehr als 2000 wichtige Inhaltsstoffe.

Mütter von Frühchen, die vor der 32. Schwangerschaftswoche auf die Welt kommen, können ihr Baby aber nicht gleich mit der eigenen Muttermilch versorgen: weil sie auf der Intensivstation liegen, einen Kaiserschnitt hatten oder Medikamente nehmen müssen. Damit das Neugeborene trotzdem an den kostbaren Drink kommt, gibt es jetzt in der Neonatologie der München-Klinik Harlaching eine Frauenmilchbank für Frühchen. Nach Regensburg, Passau, Augsburg und Großhadern ist sie die Fünfte in Bayern.

Frühgeborene in Harlaching und in Schwabing können nun mit Muttermilch versorgt werden, die andere Frauen gespendet haben. "Es ist erwiesen, dass Kinder, die nach der Geburt mit Muttermilch versorgt worden sind, weniger Infektionen bekommen, sich besser entwickeln und weniger Allergien haben", sagt Oberärztin und Neonatologin Silke Brodkorb.

Für eine optimale Ernährung der Babys empfehle die Weltgesundheitsorganisation (WHO) immer Muttermilch, dann als zweite Wahl gespendete Frauenmilch und als dritte künstliche Muttermilch auf Kuhmilchbasis. "Im Alter von zwei Stunden braucht das Neugeborene das erste Essen. Damit es das zähe Kindspech ausscheiden kann, ist Muttermilchernährung auch sehr wichtig", erklärt Brodkorb weiter. Am Anfang bekomme ein Frühchen ja nur wenig Milch. Vielleicht sechs Milliliter am Tag.

Im Osten Deutschlands gibt es viele Frauenmilchbanken, aber in Bayern nur wenige. Ein Grund für die Oberärztin, zusammen mit Sabrina Weigel, Stationsleiterin der Neonatologie, die Muttermilchbank in Harlaching zu initiieren.

Portionsgerecht in Spritzen aufgezogen: gespendete Frauenmilch im Tiefkühlschrank (Foto: Catherina Hess)

20 Milliliter, 30 oder auch 50. Ganz egal wie viel. Kleine Fläschchen oder mit gespendeter Muttermilch aufgezogene Spritzen liegen im Tiefkühlschrank. Mit Barcodes versehen, damit man weiß, welche Spenderin zu welchem Zeitpunkt wie viel Milch abgegeben hat. Jede Spende ist kostbar.

Sabrina Weigel überprüft schon in der Milchküche der neonatologischen Station, wie viel Milch die Mütter gegeben haben. Ist es zum Beispiel mehr, als das eigene Baby braucht, fragt sie, ob die Mutter bereit ist, Milch zu spenden. "Alles natürlich auf freiwilliger Basis", sagt die Stationsleiterin. Wenn ja, so erklärt sie, muss die Mutter einen Fragebogen ausfüllen. Denn bei Viruserkrankungen, Dauermedikationen oder Drogenkonsum ist eine Spende laut Marcus Krüger, Chefarzt der Neonatologie in der München-Klinik Schwabing und Harlaching, nicht möglich.

Kommt die Mutter aber infrage, wird ihrer Milch unter höchsten hygienischen Auflagen eine mikrobiologische Probe entnommen und in einem Labor auf Keime und Bakterien überprüft. Die Milch wird pasteurisiert, eine Rückstellprobe entnommen, portioniert und bei minus 26 Grad eingefroren. Ist am Ende alles mit der Milchspende in Ordnung, bekommt das Fläschchen ein "F". Es steht für "freigegeben". Krüger betont: "Wir arbeiten bei gespendeter Milch ganz akribisch."

Ein Herzensanliegen von Brodkorb und Weigel ist es, die Mütter von Frühchen, sobald es geht, schnell zur Milchbildung zu animieren, wie beide Frauen sagen. Denn das Hormon Prolaktin, das die Milchbildung anregt, mag keinen Stress. Eine Frühgeburt aber bedeutet "maximalen Stress", sagt Brodkorb. Mutter und Kind werden nach einer Frühgeburt meist auch medizinisch getrennt versorgt. Wieder Stress. "Dabei ist der Blick auf das Kind so wichtig für den Milcheinschuss", sagt Weigel. Also versuche man, dass die Mutter bald abpumpt, um ihre Milchproduktion anzuregen. Und können die Mutter dann später sogar Milch spenden, seien sie "richtig stolz", berichtet sie.

Ein Liter Muttermilch. So viel ist derzeit in der Frauenmilchbank, die es ja erst gerade ein paar Wochen gibt, eingefroren. Das klingt nach wenig. "Aber damit", freut sich Krüger, "können schon die nächsten fünf Frühchen wieder versorgt werden."

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