Politik in München:Der "Feind Nummer eins" will sichtbarer werden

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Svenja Jarchow-Pongratz und der neugewählte Florian Siekmann bilden die Doppelspitze der Münchner Grünen. (Foto: Florian Peljak)

Münchens Grüne wachsen weiter, auf inzwischen mehr als 4200 Mitglieder. Die neuen Vorsitzenden haben gleich drei wichtige Wahlen vor sich. Sie wollen in die Bierzelte, aber auch "das Netz nicht den Rechtsextremisten alleine überlassen".

Von Heiner Effern

Die Münchner Grünen haben einen neuen Vorsitzenden. Der 29 Jahre alte Florian Siekmann wird künftig mit Svenja Jarchow die Doppelspitze des größten Kreisverbands der Partei in Deutschland bilden. Der Landtagsabgeordnete Siekmann setzte sich am Samstag auf einem Stadtparteitag gegen den bisherigen Vize-Vorsitzenden Arne Brach durch. Die 43 Jahre alte Jarchow wurde ohne Gegenkandidatin in ihrem Amt bestätigt.

Siekmann folgt auf Joel Keilhauer, der kürzlich Vater geworden und nicht mehr angetreten ist, um Zeit für die Familie zu haben. Er wolle die Grünen in der "Mitte der Gesellschaft" verankern, kündigte Siekmann in seiner Bewerbungsrede an. Wie sich das auswirken könnte, erläuterte er beispielhaft am Münchner Süden. Im kommenden Jahr werde sein Ortsverein zum ersten Mal einen politischen Termin im Bierzelt auf dem Haderner Dorffest gestalten, kündigt Siekmann an.

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Auf diese Weise und mit anderen neuen Formaten will er einem seiner Hauptziele näher kommen, nämlich "die Sichtbarkeit" der Grünen in der Stadtgesellschaft zu erhöhen. Das soll aber nicht nur im Bierzelt, sondern auch im Internet geschehen. Er werde den Münchner Grünen eine neue Strategie in den sozialen Medien verpassen, sagt Siekmann. "Wir dürfen das Netz nicht den Rechtsextremisten alleine überlassen." Er wolle Politik aus einem Guss für die Grünen machen, "Politik für die ganze Stadt".

Die Mehrheit der gut 300 Mitglieder im voll besetzten Saal des Kolpinghauses gleich hinter dem Stachus ließ sich von Siekmann überzeugen. Auf ihn entfielen 155 der 296 gültigen Stimmen, sein Konkurrent Arne Brach erhielt 126. Auch dieser sprach sich für mehr Sichtbarkeit grüner Politik aus und für mehr Präsenz auf der Plattform Tiktok. In seiner Bewerbungsrede sparte er nicht mit Seitenhieben, etwa auf die CSU-Politik im Freistaat oder Oberbürgermeister Dieter Reiter von der Koalitionspartnerin SPD. "Wir brauchen keinen Obermeister, sondern einen grünen Oberbürgermeister", sagte Brach. Er verfüge über "Erfahrung, Kompetenz, ein dickes Fell und, wenn es sein muss, eine große Klappe".

Die wollten die Grünen offensichtlich lieber nicht, sie entschieden sich für den Landtagsabgeordneten Siekmann, auch wenn gerade ältere Mitglieder ein Parteiamt und ein Parlamentsmandat lieber nicht in einer Person vereint sehen. Doch der Kreisverband wächst weiter, und viele neue Grüne haben damit offenbar kein Problem. Mehr als 4200 Mitglieder sind im Kreisverband mittlerweile registriert, weshalb es zu den Aufgaben des neuen Führungsduos gehören wird, für dieses Wachstum die richtigen Strukturen zur Verfügung zu stellen.

Der Bewerber für die OB-Wahl scheint festzustehen

Siekmann sieht in diesem Sinn seine Rolle "als Dienstleister in einer Mitmachpartei". Doch natürlich weiß er auch, dass in seine erste, zweijährige Amtszeit die Organisation von drei wichtigen Wahlen fallen wird: Am 9. Juni 2024 steht die Europawahl an, im Herbst 2025 die Bundestagswahl und im Frühjahr 2026 die Kommunalwahl. Ein Marathon werde das für den Kreisverband, sagte er, und die Kür werde der Kampf um die Stadtregierung in München.

Dafür muss er mit der Co-Chefin Jarchow auch die Aufstellung der Kandidatinnen und Kandidaten für den Stadtrat und die Suche nach dem Bewerber für die Oberbürgermeisterwahl organisieren. Wobei sich die Mitglieder dabei offenbar nach dem Abschied der eigentlich vorgesehenen Katrin Habenschaden schon entschieden haben. Als nur der Name des auf dem Parteitag erkrankt fehlenden Nachfolgers als Zweiter Bürgermeister, Dominik Krause, erwähnt wurde, kam im Saal kräftiger Beifall auf.

Siekmann absolvierte ein Studium der Chemie, zog 2018 zum ersten Mal für den Stimmkreis Hadern in den Landtag ein und schaffte das 2023 erneut. Er ist innenpolitischer Sprecher seiner Fraktion und engagiert sich in der Queer-Community. Seine Partnerin an der Spitze, Svenja Jarchow, wurde zum ersten Mal als Vorsitzende wiedergewählt. Die Mutter von drei Kindern stimmte in ihrer Bewerbungsrede die Mitglieder auf die kommenden Wahlkämpfe ein.

Die Grünen würden von allen Seiten als "Feind Nummer eins" angesehen, gerade im Kampf gegen den Rechtsextremismus müssten sie die Freiheit in der Gesellschaft verteidigen, sagte sie. Man werde ein starkes Programm für die Kommunalwahl erarbeiten, über die beste Strategie streiten und dann geschlossen dazu stehen. Die Richtung gibt Jarchow schon vor: "Die Kommunen sind der Schlüssel für die Klimapolitik", sagte sie.

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