München:Galeere nach Garmisch

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Das Theater "Viel Lärm um Nichts" scheut keine Mittel und bringt das Sandalen-Epos Ben Hur auf die Bühne, Wasserschlacht und Streitwagenrennen inklusive

Von Jutta Czeguhn

Die Seeschlacht, das Wagenrennen, Jesus. An nichts wird hier gespart. Es gilt, einen Superlativ anzukündigen in diesem an Monumentalem nicht gerade armen Münchner Kultursommer. "Ben Hur", Mutter, Vater, Onkel, Tante aller Sandalenfilme, kommt auf die Bühne. Für das als unaufführbar geltende Epos, das auf einen Roman des amerikanischen Bürgerkriegs-Generals Lewis Wallace zurückgeht, hat das "Theater viel Lärm um Nichts" alles Erdenkliche und Undenkbare auf sich genommen. Vier Schauspieler begeben sich an die Grenzen ihrer künstlerischen Möglichkeiten und machen den Job, für den Hollywood-Regisseur William Wyler in seiner Verfilmung 1959 mehr als 365 Sprech-Darsteller, 50 000 Komparsen, 2500 Pferde und 200 Kamele verschlissen hat. Auch finanziell scheut das kleine Pasinger Ensemble kein Risiko. Mit 15 Millionen Dollar war Ben Hur damals der bislang teuerste Film. "Ach, das haben wir auch ausgegeben, in Euro versteht sich", flunkert Impresario Andreas Seyferth in beiläufigem Ton. Um Geld, um Schulden, gar den Ruin macht man hier nicht viel Lärm. Es gilt der Kunst.

Bei den Proben im schmalen Theaterraum auf der Westseite der Pasinger Fabrik wird kolossal viel geblödelt. Eine Art Monty-Python-Stimmung macht sich breit. Denn wer sich an einem so humorfreien Filmschinken wie Ben Hur vergreift, paddelt unweigerlich im Kielwasser der britischen Anarcho-Komiker und ihrem Karfreitagsamüsement "Das Leben des Brian". Leute, die den Film-Ben Hur Charlton Heston für einen honorigen Mimen halten oder den Satz "Chleudert den Purschen zu Poden!" nicht binnen Sekunden zuordnen können, werden bei dieser Ben-Hur-Fassung womöglich wenig zu lachen haben, weil es Anspielungen nur so hagelt. Alle anderen aber erwarten große Theatermomente. Premiere - sie wurde nach dem kurzfristigen Ausfall eines der Hauptdarsteller verschoben - ist am kommenden Donnerstag, 20. Juli, 20 Uhr.

"Das hier ist das Zeloten-Grundkostüm", erklärt Philipp Weiche. Im beigefarbenes Baumwoll-Leiberl kreiselt er auf den Sohlen seiner Legionärssandalen um die eigene Achse. Eigentlich wollte er sich als Regisseur des Stückes diesen Aufzug ersparen. Weil ihm aber jener Akteur abhanden gekommen ist, muss er nun selber ran und gefühlte 50 Rollen übernehmen. Doch das ist letztlich natürlich kein Problem für den ausgebildeten Theater- und Filmschauspieler. Zudem kennt Weiche die Ben-Hur-Bühnenfassung wie kein Zweiter. Vor 20 Jahren hat er am Südthüringischen Staatstheater in Meiningen das römische Hybris-Burli Messala gespielt. Inszeniert hatte damals der Brite Rob Ballard, von dem höchstselbst die Verballhornung des Stoffes stammt, die damals mit riesigem Erfolg im Londoner Westend lief. Meiningen war quasi die Kontinental-Europa-Premiere. Ach ja, schon damals dachten die Engländer irgendwie brexitisch.

Der Satiriker Ballard, sehr erkennbar geschult an den Pythons, hat für seine Ben-Hur-Show einige chirurgische Eingriffe an der klassischen Vorlage vorgenommen. Puristen, die die Dialoge der Film-Version mitsprechen können und selbst die Namen aller vier Araber-Pferde auswendig wissen, die Ben Hurs Streitwagen ziehen, mögen zunächst etwas fremdeln: Der judäische Fürstensohn ist im Stück eine FRAU, die mal etwas hatte mit dem Römer Messala. Schauspielerin Katharina Friedl trägt für die Titelrolle deshalb zeitweise Bart, natürlich eine zärtliche Hommage an die Steinigungsszene im "Leben des Brian" ("Ist hier etwa Weibsvolk anwesend? - Nein, nein!!!"). Ein weiblicher Ben Hur. Wäre er noch unter uns, Waffennarr Charlton Heston würde da wohl mit seinen kalten, toten Händen zu einer entsicherten "national rifle" greifen. Dabei ist dieser Gender-Tausch nur konsequent, denn auch im Film hat es in der legendären Wiedersehens-Szene bekanntlich zwischen Ben Hur und seinem Sandkastenfreund Messala geknistert.

Regisseur Philipp Weiche hat sich noch mal umgezogen. Für die Engel-Hirten-Szene ist er in eine Tunika gestiegen, die so aussieht wie der weiße Einteiler, den Kylie Minogue im Video "Can't get you out of my head" trägt. Weil er gleich die Ankunft des Messias zu verkünden hat, scheucht er die Hirten auf die Bühne. Einer von ihnen, Armin Hägele, trägt eine Manschette am Unterschenkel, ausgerechnet kurz vor Probenbeginn hat er sich die Achillessehne gerissen. Weil die Produktion noch einen Ausfall nicht verkraftet hätte, humpelt sich Hägele mit wechselnden Gehhilfen durch seine diversen Rollen. Er spielt auch noch als Cäsar, Ben Hurs Mutter Alma und einen römischen Schergen, der im feinsten Bully-Herbig-Schwulen-Sprech arme Sklaven für die Galeeren-Passage zwischen Judäa und, nun ja, Garmisch akquiriert. Eine Ration Salz zum in die Wunden reiben gibt's für die Ruderer wider Willen als Gratispackung dazu.

Die Seeschlacht ist im Film einer der Höhepunkte, sie gibt der Handlung eine dramatische Wende. Kommt Wasser ins Spiel, ist das für jede Bühne eine Herausforderung. Die Pasinger Theatermacher haben laut Regisseur Weiche, der "aus vertraglichen Gründen" vor der Premiere nicht mehr verraten darf, eine stupende Lösung gefunden: Ein Eimer Wasser wird eine tragende Rolle spielen. Auch über die Umsetzung des epochalen Wagenrennens, für das William Wyler in den römischen Cinecittà-Studios den Circus Maximus nachbauen ließ, dringen an diesem Probentag nur Andeutungen durch. Theaterchef Andreas Seyferth, der am Ende alles zu verantworten hat, versichert an die Adresse von Tierschutz-Aktivisten: "Es werden keine Pferde zu Schaden kommen."

In den letzten Tagen vor der Premiere herrscht Zuversicht in Saal des Theaters "Viel Lärm um Nichts". Obwohl Philipp Weiche noch mit seinem Text kämpft, und die Nebelmaschine irgendwie verschwunden ist, steht für den Regisseur fest: "Wir sind besser als der Film!" Doch was, wenn es, was Gott verhüten mag, noch einen Ausfall im übersichtlichen Bühnen-Personal gibt? 1000 Statistenrollen müssten dann auf einen Schlag nachbesetzt werden. Regisseur Weiche ist da gelassen und für alles offen. "Nun, wenn jemand aus dem Publikum mitspielen möchte?"

"Ben Hur", Theater Viel Lärm um Nichts, August-Exter-Straße 1, Premiere am 20. Juli, 20 Uhr, bis 16. September, jeweils Donnerstag, Freitag und Samstag, 20 Uhr. Tickets unter Telefon 82 92 90 79 oder www.theaterviellaermumnichts.de.

© SZ vom 15.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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