Evangelische Kirche:Taufe im See: Wer mit nassen Füßen zu Gott watet

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Im Sommer 2022 taufte Pfarrerin Christine Untch von der evangelischen Adventskirche Neuaubing schon einmal Kinder im Lußsee. (Foto: Matthias Robisch)

Die evangelische Kirche organisiert Tauffeste an Flüssen, Seen und Bächen in und um München. Es sind biblische Szenen, die nicht ohne Grund für Aufmerksamkeit sorgen.

Von Andrea Schlaier

Die Isar ist nicht der Jordan, aber zum biblischen Setting taugt sie allemal. Die Szene am 1. Juli wird dann so aussehen, dass eine Frau barfuß im Fluss steht, im Talar mit nassem Saum, und sich wieder und wieder nach unten beugt, um Wasser in einen Krug zu schöpfen. Eine große Festgemeinde wird dabei sein. Am kommenden Samstag werden auf Höhe des Muffatwerks an der Isar um die Mittagszeit 20 Menschen getauft.

Die evangelische Kirche hat auch in Bayern für sich erkannt, wie viel es für die Außenwirkung bringen kann, wenn christliche Rituale öffentlich zelebriert werden. Unter dem Motto "einfach heiraten" etwa hatte die Kirche im März in zehn bayerischen Städten ihre Pforten für Menschen geöffnet, die sich einen Trau-Segen abholen wollten. Ohne Voranmeldung, geschweige denn Mitgliedschaft in der evangelischen Kirche, konnten im 15-Minuten-Takt alle bereits standesamtlich Vermählten vor den Altar treten. Die Resonanz war groß.

An diesen Erfolg knüpft das Projekt "Viele Gründe, ein Segen: deine Taufe" an. Pfarrgemeinden richten dabei öffentlich festliche Tauffeste für Familien aus. Der Termin für dieses Sakrament ist bewusst in die sommerliche Zeit um den 24. Juni gelegt: Es ist der Tag, an dem nach dem christlichem Kalender Johannes der Täufer geboren ist. Der Mann also, der Jesus im Jordan getauft hat.

"Eine Chance, Kirche sichtbar werden zu lassen."

"Wir wollen der Öffentlichkeit zeigen, was wir machen", sagt der evangelische Münchner Stadtdekan Bernhard Liess. "Das ist eine Chance, Kirche sichtbar werden zu lassen, und wir müssen Rituale, also das, was unseren Glauben ausmacht, dort stattfinden lassen, wo das Leben stattfindet." Dann werde anschaulich, "dass das nicht irgendetwas Weltfremdes und Merkwürdiges ist, was da in der Kirche passiert", sagt der Stadtdekan.

Die evangelischen Münchner Innenstadtgemeinden haben die Isar schon vor vielen Jahren als Ort der Taufe für sich entdeckt. Für die aktuelle Aktion tun sich St. Johannes, St. Lukas, St. Markus, die Kreuzkirche und die Erlöserkirche am kommenden Samstag zusammen. 20 Täuflinge und ihre Familien treffen sich im Biergarten am Muffatwerk, bevor an der Isar "unkompliziert", wie es heißt, das Sakrament der Taufe gespendet und anschließend wieder im Biergarten weiter gefeiert wird.

Bereits an diesem Samstag, 24. Juni, trifft sich morgens das pastorale Team der Adventskirche Neuaubing mit den Familien von zehn Täuflingen am Ufer des Lußsees im Westen der Stadt. Neben den Badegästen werden Menschen in Festtagsmontur mit Kleinkindern an der Hand, die Hosen hochgekrempelt, ins Wasser waten. Die Kirchengemeinden Oberhaching, Taufkirchen und Unterhaching, die auch zum Stadtdekanat zählen, werden in den Hachinger Bach steigen und Haar, Riem und Trudering am 22. Juli in den Riemer See. Ein paar Beispiele von vielen.

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Die einladende, sommerliche Atmosphäre ist das eine, glaubt Stadtdekan Liess. Das einfache Handling ohne jene Schwelle, die Gläubige in der Regel für ihre Kinder nehmen müssen, damit diese über die Taufe Christen und Mitglied der evangelischen Kirche werden, das andere. Manchmal sei der Anspruch ans Tauffest als Familienfest so "wahnsinnig hoch", dass junge Eltern mit neugeborenen Kindern, die Beruf und Alltag verbinden müssten, die Organisation einfach nicht schafften, sagt Liess. "Zu sagen, wir organisieren das für euch, mit Biergarten hinterher und gemeinsamem Beisammensein für möglichst viele Leute - und ihr müsst eigentlich nur kommen und euer Kind taufen lassen, das ist die Idee." Die Kirche also als Dienstleister.

Ob sich durch den öffentlich zelebrierten Service wieder mehr Menschen der Kirche zuwenden? Die Nachfrage nach Taufterminen sei für die anlaufende Aktion jedenfalls groß, sagt Liess. Nachdem das Sakrament coronabedingt 2020 und 2021 deutlich seltener gespendet worden sei, liege die Zahl der jährlichen Taufen im Stadtdekanat 2022 mit 1728 gleich auf mit der von 2019, als es 1725 Täuflinge waren. Aus der evangelischen Kirche ausgetreten sind 2022 im Stadtdekanat 9107 Menschen.

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