München:Ein Ort des Erinnerns

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Ein Totenbuch mit 1441 dokumentierten Opfern des NS-Regimes übergab Klaus Mai OB Dieter Reiter (rechts). (Foto: Privat)

KZ-Außenlager Allach: Noch ist offen, wie der Toten gedacht wird

Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) unterstützt das Vorhaben, in der Siedlung Ludwigsfeld an die Vergangenheit des Viertels zu erinnern. Bevor die Siedlung in den Fünfzigerjahren entstanden ist, befand sich dort von 1943 bis 1945 das Außenlager Allach des Konzentrationslagers Dachau. Bisher erinnern nur zwei Gedenktafeln an die Historie der Siedlung, die an der letzten noch stehenden Baracke des ehemaligen Außenlagers angebracht sind. Der Stadtteilhistoriker Klaus Mai hat in einem Totenbuch die Namen von 1441 gestorbenen Häftlingen dokumentiert und dieses Buch nun gemeinsam mit Vertretern der Lagergemeinschaft Dachau dem Oberbürgermeister im Rathaus übergeben.

Wo, in welcher Größe und in welcher Form ein Ort der Erinnerung entstehen könnte, ist noch vollkommen offen. Für Oberbürgermeister Dieter Reiter hängt das vom Ergebnis der archäologischen Untersuchungen in der Siedlung ab, die er erst abwarten möchte. Unabhängig davon haben das Kulturreferat und die Gedenkstätte Dachau bereits eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben, die ermitteln soll, wie ein Gedenkort in der Siedlung Ludwigsfeld aussehen könnte; mit einem Ergebnis der Untersuchung wird im Juni nächsten Jahres gerechnet.

Mai vermutet, dass sich auf einem Areal in der Siedlung Ludwigsfeld noch unentdeckte Gräber mit Opfern des NS-Regimes befinden. Daraufhin initiierte archäologische Untersuchungen sind zum Teil abgeschlossen und sollen bis zum Frühsommer 2017 beendet werden; vier von sieben vermuteten Grabstellen sind im ersten Teil der großflächigen Grabungen untersucht worden. Bisher hat sich Mais Verdacht nicht bestätigt. Der Stadtteilhistoriker hat nach einjähriger Arbeit in einem Totenbuch eine detaillierte Liste der Namen von 1441 Häftlingen zusammengestellt, die nachweislich entweder im Außenlager ermordet worden oder an den Folgen der Haftbedingungen gestorben seien. Dazu hat er mehrere Quellen abgeglichen, wie das Totenbuch des Krematoriums des Konzentrationslagers Dachau und die Häftlingspersonalkarteien. Mit Blick auf unbekannte Opfer, deren Tod nicht dokumentiert wurde, schätzt Mai die Anzahl der im Außenlagerkomplex Verstorbenen noch höher. Seinen Angaben zufolge waren 6500 bis 7000 Häftlinge aus mehr als 20 Nationen in dem Außenlagerkomplex gefangen. Die Häftlinge waren etwa im nahe gelegenen Allacher Werk der BMW-Flugmotoren eingesetzt, beispielsweise zur Montage der Jagdflugzeug-Motoren oder beim Bau einer Bunkerhalle.

© SZ vom 21.11.2016 / ssr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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