München:Die Luft ist noch lang nicht raus

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Trotz sinkender Flüchtlingszahlen hält Landrat Göbel an seiner Verteilungs-Strategie für den ganzen Landkreis fest

Auch wenn die Zahl der Flüchtlinge aktuell massiv zurückgeht, dürften einige der Traglufthallen, in denen Neuankommende untergebracht werden, noch bis ins nächste Jahr hinein stehen bleiben. Wie die SZ erfuhr, könnten die beiden Hallen in Unterföhring und im Grünwalder Ortsteil Wörnbrunn länger als zwölf Monate in Betrieb bleiben. Aktuell gibt es im Landkreis sieben Traglufthallen, in denen bis zu 2100 Menschen Platz finden. Seit der Schließung der Balkanroute geht die Zahl der Asylsuchenden zurück. Die Regierung von Oberbayern weist den Landkreisen derzeit keine neuen Flüchtlinge mehr zu, und Landrat Christoph Göbel (CSU) hat in Absprache mit den Bürgermeistern aller 29 Städte und Gemeinden die Prognose für das laufende Jahr von 9000 auf 7500 unterzubringende Menschen abgesenkt.

Bewusst hat der Landrat der Absenkung das Prädikat "vorsichtige" vorangestellt. Denn jetzt wurde bekannt, dass die beiden Traglufthallen in Unterföhring und im Grünwalder Ortsteil Wörnbrunn länger als zwölf Monate in Betrieb bleiben könnten. Dies bestätigte Unterföhrings Bürgermeister Andreas Kemmelmeyer (Freie Wähler) am Mittwoch der Süddeutschen Zeitung. "Wenn es die Situation erfordert, kann es sein, dass unsere Traglufthalle über den Winter in Betreib bleibt", sagt Kemmelmeyer und meint damit: über den Januar hinaus. "Wir werden die Menschen nicht mitten im Winter vor die Tür setzen."

Momentan gehen die Zahlen zurück. Doch ändern der Landkreis, die Städte und Gemeinden jetzt ihre Strategien bei der Unterbringung? Ruhen sich jene Kommunen, die bisher nicht so schnell vorangekommen sind, nun aus? Landrat Göbel sagt mit Bestimmtheit: "Was ich auf keinen Fall tun will, ist, in der Öffentlichkeit Fleißbildchen oder gelbe Karten an einzelne Gemeinden zu verteilen." Die Solidarität der Akteure sei keineswegs wegzudiskutieren: "Im Landkreis München ziehen alle bei der Unterbringung der Asylbewerber voll engagiert mit."

Obwohl der akute Druck, innerhalb kürzester Zeit neue Unterbringungsmöglichkeiten zu schaffen, offenkundig nachlässt, treibt der Landkreis seine eigenen Projekte weiter voran: Derzeit entstehen auf dem Gelände der Bundeswehr-Universität zwei neue Traglufthallen; zudem ist die Erstaufnahmeeinrichtung der Regierung von Oberbayern im umgebauten Gebäude des ehemaligen Musikkorps mittlerweile in Betrieb. Dort sind derzeit 84 Schutzsuchende untergebracht.

Wichtig ist, dass die Kommunen feste Unterkünfte schaffen. Es gibt welche, die Projekte zügig umsetzen, wie Göbel betont: Ottobrunn und Höhenkirchen-Siegertsbrunn etwa, oder Gräfelfing. Für Neuried, wo derzeit 14 Flüchtlinge dezentral untergebracht sind, bedeutet die Absenkung des Aufnahmesolls von knapp 229 auf 190 Plätze eine Entlastung, sie ändert aber nichts an der laufenden Planung für eine Unterkunft mit 96 Plätzen. Der Bauausschuss hat erst Anfang April die Planung für ein Ensemble aus drei Gebäuden am Maxhofweg auf den Weg gebracht, das bis zum Sommer stehen könnte. Planegg bekommt vorläufig für 2016 nicht 283, sondern nur 236 Flüchtlinge. Das Thema sei damit "nicht zu Ende", sagt Bürgermeister Heinrich Hofmann (SPD). Allerdings könne man jetzt "durchschnaufen: Wir haben jetzt noch weniger als zuvor einen Grund, auf der grünen Wiese zu bauen oder auf einem Acker", meinte er in Anspielung auf die "Patt-Situation" im Gemeinderat zur Bebauung der Würmaue an der Georgenstraße. Hofmann will in den nächsten Tagen den Fraktionen einen Vorschlag unterbreiten, damit "wir im Gemeinderat wieder die Gemeinsamkeiten betonen können". Die bisher in Frage kommenden Standorte bleiben. Und auch in Gräfelfing wurden die Zahlen nach unten korrigiert - anstatt 150 sind es jetzt nur mehr etwa 95, die noch heuer unterzubringen wären. Aber da Gräfelfing bereits eine Unterkunft hat, hält man sich jetzt etwas zurück.

Auch andere Gemeinden, die derzeit im Soll liegen, sollten die aktuelle Entwicklung nicht falsch einschätzen: Es sei keineswegs ausgeschlossen, dass die Zahl der Zuteilungen wieder nach oben gehe. Für den Sommer rechnet Göbel mit weiteren Neuankömmlingen. Und dann sei da noch die große Unbekannte: der Familiennachzug. "Da bestehen definitiv Ansprüche, und es ist zu erwarten, dass die Flüchtlinge davon Gebrauch machen, beispielsweise unbegleitete Minderjährige, die ihre Eltern holen."

© SZ vom 21.04.2016 / stga, müh, raj, rar, jae - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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