Tag der Arbeit in München:Pro-palästinensische Demonstranten bei Gewerkschaftszug

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Beim Protestzug durch die Münchner Innenstadt waren auch palästinensische Flaggen zu sehen. (Foto: Alexander Pohl/SZ Photo)

Der Deutsche Gewerkschaftsbund distanziert sich zwar, lässt die Gruppe aber gewähren. Nach der Veranstaltung kommt es zu Rangeleien mit Israel-Unterstützern.

Von Stephan Handel

Etwa 7000 Menschen sind nach Schätzungen von Polizei und Veranstalter am Mittwoch in München dem Demonstrationsaufruf des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) zum Tag der Arbeit gefolgt. Nach einem Zug von der Agentur für Arbeit in der Kapuzinerstraße zum Marienplatz hörten die Demonstrierenden dort unter anderem Simone Burger, die Münchner Kreisvorsitzende des DGB, sowie Frank Werneke, Bundesvorsitzender der Gewerkschaft Verdi.

Der Zug bot zunächst einen bunten Überblick über Münchens linke Szene: Die Mitglied-Gewerkschaften des DGB marschierten mit, SPD und Grüne Jugend, Antifa, jeweils zu erkennen an Fahnen und Transparenten. Deutsche Kommunistische Partei, Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands und Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend stehen dann noch ein gutes Stück weiter links, waren aber mit antikapitalistischen und pazifistischen Spruchbändern eher in der Minderheit.

Und dann gab es noch eine relativ große Gruppe, die sich mit Sprüchen wie "Kein Völkermord in Gaza" und palästinensischen Flaggen als Gegner des israelischen Militärschlags nach dem Hamas-Terror vom 7. Oktober 2023 zu erkennen gaben.

Die DGB-Kreisvorsitzende Simone Burger sagte, die Gruppen hätten sich der Demonstration angeschlossen: "Sie sind nicht Teil unserer Bewegung und wir teilen diese Meinung nicht." Das Versammlungsrecht lasse es aber nicht zu, Teilnehmer auszuschließen, solange sie nicht störten - von vereinzelten "Viva Palästina"-Rufen abgesehen, war nichts von ihnen zu hören. Auch die Polizei erklärte, es habe für sie keinen Grund zum Einschreiten gegeben.

Den gab es erst später, nach der Demonstration und den Reden auf dem Marienplatz. Während dort das Familienfest des DGB startete, unter anderem mit Ecco DiLorenzo and The Innersoul Five, versammelten sich wenige Meter weiter am Rindermarkt etwa 1200 pro-palästinensische Demonstranten. Dabei kam es zu Rangeleien mit einer Gruppe, die für Israel demonstrieren wollte. Die Polizei trennte die beiden Gruppen.

Auf der friedlichen Demonstration waren auf den Transparenten viele der Themen behandelt worden, die aktuell die innenpolitische Diskussion bestimmen - Pflege, Rüstung, Arbeitszeit, Rente -, aber auch ausgesprochen lokale Phänomene: "München ohne Sport Scheck ist wie Oktoberfest ohne Bier".

Wie vielfältig die Themen waren, für die die 7000 Menschen auf die Straße gingen, war bei der Veranstaltung auf dem Marienplatz zu sehen. (Foto: Stephan Rumpf)
Pflege, Fachkräftemangel, Kritik an Waffenexporten: Unter anderem dagegen wurde protestiert. (Foto: Stephan Rumpf)

Auf dem Marienplatz angekommen, begrüßte Simon Burger Delegationen jener Gewerkschaften, die derzeit in Tarifverhandlungen oder Arbeitskämpfen stehen, forderte für die eine Branche sieben Prozent mehr Lohn und meinte, im Gastgewerbe müsse jede ausgebildete Fachkraft mindestens 3000 Euro brutto verdienen. Burgers Rede endete mit der Einspielung von Queens "We will rock you".

Für die Stadt war Verena Dietl gekommen, die erstens in der SPD ist und zweitens Sozialbürgermeisterin. In ihrem Grußwort legte sie den Schwerpunkt auf das, was die Stadt schon alles tut, damit München "bezahlbar und leistbar" bleibt - und was sie alles noch tun könnte und würde, wenn nicht die bayerische Staatsregierung aus CSU und Freien Wählern so uneinsichtig und so knauserig wäre, wie Dietl findet. Kinderbetreuung, Schulen und bezahlbarer Wohnraum - Themen, die vor allem Familien in München umtreiben.

Der russische Überfall auf die Ukraine sowie die Situation in Nahost kamen bei der Veranstaltung auf dem Marienplatz ebenfalls vor. Verdi-Chef Frank Werneke erwähnte sie gleich zu Beginn seiner Rede. Als er vom Überfall auf Israel am 7. Oktober sprach und die Hamas-Akteure "Terroristen" nannte, erntete er einige Pfiffe und Buh-Rufe. Werneke weiter: Man trauere um jeden Toten, in der Ukraine, in Israel und auch in Gaza.

Verdi-Chef Frank Werneke bei seiner Rede. Auf dem großen Plakat vor dem Münchner Rathaus stand zu lesen: "Sagt nein zur Kriegstüchtigkeit". (Foto: Stephan Rumpf)

Von der Weltpolitik ging es weiter zur Generalkritik am Neoliberalismus. Die Leute, so Werneke, sähen langsam ein, dass dieser keine Lösungen biete. Darum habe es im vergangenen Jahr bei Verdi auch 190 000 Eintritte gegeben, 50 000 davon junge Leute. "Unsere Erfolge machen unsere Gegner nervös", glaubt Werneke und meint damit hauptsächlich Union, FDP und Arbeitgeberverbände. Diese versuchten es deshalb mit einer Einschränkung des Streikrechts, "damit sie Zeit haben, genügend Streikbrecher heranzukarren". In der Menge kam das gut an.

"Kinder in Armut sind eine Schande für unser Land", so Werneke weiter, der sich auch in München für eine Kindergrundsicherung aussprach. Seine Einstellung zum Bürgergeld? Wenn gesagt werde, dieses sei zu hoch, die Leute würden lieber zu Hause bleiben als zu arbeiten, dann sei das ein Zeichen dafür, dass es immer noch viel zu viele schlecht bezahlte Jobs gebe. Deshalb die Forderung nach einer Steigerung des Mindestlohns auf 14 Euro pro Stunde im kommenden Jahr.

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