München:Der Ungleichheit entgegenwirken

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Sie bereiten Wege und vernetzen mit ihrem Team: Meike Schmidt (links) und MAGs-Geschäftsführerin Irmtraud Lechner. (Foto: Privat)

Die Münchner Aktionswerkstatt Gesundheit hat bereits in acht Vierteln Projekte angestoßen, die das Leben lebenswerter und gesünder machen. Nun hat sie ihren Einsatz in Giesing beendet und beginnt in Freiham neu

Von Nicole Graner, München

Irmtraud Lechner und Meike Schmidt schauen sich an. Und überlegen. Wie sie die Arbeit der Münchner Aktionswerkstatt Gesundheit (MAGs) knapp und präzise umschreiben können. Geht kaum. Das wird der 50-jährigen Geschäftsführerin und der 56-jährigen Krankenschwester und Sozialgeografin schnell klar. Zu komplex, zu vielseitig ist das Programm, das sich der Verein zur Förderung der Gesundheit, Kultur und Eigenverantwortung seit 30 Jahren erarbeitet hat. Einen Stadtteil gesund machen? Ja. Menschen für Inklusion, gute Ernährung und Bewegung zu begeistern? Ja. Und vor allem Menschen zueinander bringen, Initiativen vernetzen - auch das ist MAGs. Ganz im Besonderen.

Ein Beispiel vielleicht, das die Verzahnung deutlich macht: Es geht um gesundes Schulessen. Im Kleinen zunächst einmal um den Pausenkiosk. Da liegen Gummibärchen, Gummischlangen, Brausestangen. Und vielleicht eine Schnitzelsemmel. "Wie kann man es erreichen, dass da vielleicht ein Schnittlauchbrot liegt?", erklärt Schmidt die erste Frage, mit der ein riesiger Gedankenkomplex verbunden ist. Der damit beginnt, die Schule und die Schüler zunächst für eine gesunde Ernährung zu begeistern, dann dazu Workshops anzubieten und am Ende den Kioskbetreiber zu beraten, "wie gesund man einkaufen kann".

Genauso hat es die MAGs unter anderem an verschiedenen Grund- und Mittelschulen in Giesing gemacht. "Da haben wir lange gemeinsam mit den Schülern geschnippelt und gekocht", erinnert sich die 56-Jährige. Und am Ende sogar noch den Weißenseepark dazu genutzt, sich miteinander zu bewegen. Eines ergibt also das nächste. Und wenn am Ende Nachbarn Nachbarn informieren, wenn sich bei gemeinsamen Festen vernetzt wird, wenn im Stadtviertel so viel gewachsen ist, dass es nicht mehr wegzudenken ist - dann widmet sich MAGs anderen Aufgaben. In Giesing hat die Werkstatt ihr Engagement beendet. Um nun in einem anderen Stadtteil wieder neu anzufangen: in Freiham. "Das wird dort eine andere Herausforderung", sagt Lechner. Dort gehe es wieder um neue Konzepte und Ideen. Und vor allem um das Wort "frühzeitig". In dem Wohngebiet, in dem bis 2035 fast 25 000 Menschen leben werden, müssten präventive Strategien, niederschwellige Angebote zum Thema Gesundheit entwickelt werden. "Die es alleinerziehenden und jungen Familien in dem Viertel mit 50 Prozent gefördertem Wohnungsbau ebenfalls ermöglichen, gesund zu leben", ergänzt Meike Schmidt.

In der Anfangszeit der Aktionswerkstatt hat man die Wege bereitet, heute ist das Thema Gesundheit ein "gesetztes Thema". Jede Schule, jeder Kindergarten mache sich heute Gedanken zur richtigen Ernährung. Entspannung ist heute eher ein wichtiger Baustein, und sehr viel mehr integratives, inklusives Handeln sei gefragt, sind sich Lechner und Schmidt einig. Die soziale Ungleichheit aufzufangen, sei dabei eine ernst zu nehmende Aufgabe. Viel schwerer sei es auch, neue Ideen und Möglichkeiten in die breite Öffentlichkeit zu bringen. Es gebe ja alles und davon zum Teil viel zu viel.

Einen Bewohnergarten wie an der Gotteszeller Straße in Berg am Laim zu ermöglichen, Bewegungsangebote zu initiieren, über gesunde Ernährung zu informieren - MAGs schafft nicht nur in unzähligen Gesprächen mit Anwohnern, Stadtteilpolitikern und der Stadt München die Voraussetzungen, sondern setzt um. Die große Stärke des Vereins, der immer auch als eine Art Dachverband die Stimme von vielen kleinen Initiativen bündelt, ist die Kraft der Vernetzung. Das "Vor-Ort-Sein". Ideen zusammenzubringen, Menschen, die sie umsetzen, und Orte finden, an denen Projekte möglich sind, ist eine Aufgabe. Die größte aber, sichtbar zu machen, was es alles schon Tolles gibt im Viertel. Und welche Menschen dahinter stecken. "Und", sagt Lechner, "es geht auch darum, mit Empathie und Emotionalität in die Viertel zu gehen, zu verstehen, wie die Menschen leben und gesehen werden wollen, herauszufiltern, was die Menschen brauchen." Kurz: Das Vertrauen zu gewinnen, um Projekte anzustoßen, die das Leben lebenswerter machen, gesünder. Die quartiersbezogene Arbeit hat schon längst Früchte getragen. Mittlerweile in acht Stadtvierteln.

Ihre Arbeit zu umschreiben. "Nein", sagt Meike Schmidt, "das ist wirklich nicht leicht". Sie lacht. Aber Irmtraud Lechner findet doch noch einen Satz dafür: "Wir ergreifen die Chance, mehr in der Gemeinschaft zu denken. Und vermitteln, dass man stärker ist, wenn man vieles miteinander macht." Bedeutet, auch der Ungleichheit in Lebensverhältnissen entgegen zu wirken. Das tut MAGs seit 30 Jahren.

© SZ vom 20.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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