Demonstrationen:Weltpolitik zwischen Uni und Oper

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Am Samstag gab es mehrere Demonstrationen in der Münchner Innenstadt - so wie hier vor der Oper gegen den Kurs des US-Präsidenten gegen Iran. (Foto: Florian Peljak)

Gleichberechtigung, der Iran-Konflikt, die katholische Kirche: Die aktuelle Lage der globalen Politik spiegelt sich am Samstag in zahlreichen Kundgebungen in der Münchner Innenstadt wider.

Von Martin Bernstein

Freiheit! Gerechtigkeit! "Die amerikanischen Ideale müssen in Europa verteidigt werden." Oder ist es doch (US-) Amerika, das Freiheit und Gerechtigkeit bedroht, im Nahen Osten zum Beispiel und überhaupt? Wer einen kleinen Eindruck davon bekommen will, was auf der Welt politisch derzeit los ist, muss dazu nicht um den Globus reisen. Ein Samstagmittag in München zwischen Uni und Oper genügt. Die Welt in einer Nussschale, und dabei tagen weder die UN in München, noch ist Sicherheitskonferenz - die ist erst in vier Wochen. Es ist ein ganz normaler Samstag auf den Straßen der Münchner Innenstadt. Und das heißt: Demonstrationen, Kundgebungen, Infostände, Transparente, Parolen, Reden. Gelebte Demokratie. Und sehr international.

Der Wahlkampf in den USA schlägt an diesem kalt verregneten Samstag jedenfalls höhere Wogen in der Münchner Altstadt als die örtliche Kommunalwahl. Genau genommen geht es um die Rechte der Frauen. Längst verwirklicht im "land of the free"? Von wegen, sagen die Democrats Abroad, die Auslandsorganisation der US-Demokraten. Erst kürzlich hätten sich die Vereinigten Staaten in der UN-Generalversammlung 19 Ländern angeschlossen, darunter Saudi-Arabien, Sudan, Irak und Libyen, die die Meinung vertreten, dass Frauen kein Recht auf Abtreibung besitzen.

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"Anders als in Deutschland garantieren die Vereinigten Staaten nicht die Gleichberechtigung für Frauen in unserer Verfassung" sagt eine Sprecherin von Democrats Abroad. "Wir demonstrieren in München und weltweit, um unsere Unterstützung für Frauen zu zeigen und die USA dazu zu animieren, endlich das Equal Rights Amendment zu ratifizieren." Das würde gelingen, wenn als 38. Bundesstaat Virginia diesen Verfassungszusatz annimmt - ein zentrales Ziel der Münchner Organisatoren des "Women's March", der mit einer Kundgebung vor etwa 30 Teilnehmerinnen an der Uni beginnt und später an der Oper endet.

Es sind wohl nicht ganz so viele wie erwartet. Und darum ist die Demo auch schneller zu Ende, als erwartet. Ein Problem, das die amerikanischen Münchner mit den indischen Münchnern teilen. Auch bei ihnen passen zwei Stunden später die Zuhörer der Auftaktkundgebung bequem um den Brunnen am Geschwister-Scholl-Platz herum. Sie unterstützen das bereits verabschiedete neue Staatsbürgerschaftsgesetz ihres nationalkonservativ regierten Heimatlandes, nach dem Flüchtlinge, die aus Glaubensgründen in den moslemischen Nachbarstaaten Indiens verfolgt wurden, Inder werden dürfen - allerdings nur, wenn sie keine Muslime sind. "Eine gute Sache", erklärt dennoch ein freundlicher Herr, der selbst seit 43 Jahren in München lebt. Außerdem kann er nebenbei Tipps geben, in welchen indischen Lokalen Münchens seiner Meinung nach besonders authentisch gekocht wird. Man lernt viel an so einem Nachmittag.

Die Polizei, die alle Kundgebungen an diesem Samstag begleitet, hat wenig zu tun, weil alle brav ihren Zeitplan einhalten und nichts durcheinanderbringen. Ab und zu pendelt eine Fußstreife zwischen Odeonsplatz und Oper hin und her. Das Geschehen auf dem Odeonsplatz verwirrt indes nicht nur arglose Passanten. Eine Kundgebung "Gegen den Amazonas-Plan" ist dort angekündigt. Das klingt auch für die Polizei erst einmal nach Regenwald, Abholzung, Klimafrevel. Um Sünden geht es dann tatsächlich - aber um die der katholischen Kirche in Deutschland. Die habe den falschen, nämlich den "synodalen Weg" eingeschlagen, erklärt eine ihrem Akzent nach aus Italien stammende Frau. Und das sei "keine gute Sache". Es sind katholische Traditionalisten, die dort mit Rosenkränzen in den Händen dafür beten, dass sich in ihrer Kirche nichts verändert. Also keinerlei Modernisierung, wie sie jüngst in der Amazonas-Synode angestoßen wurde.

Alle Demonstrationen verlaufen friedlich

Die etwa hundert Teilnehmer - die größte Gruppe an diesem Tag - stehen in Reih und Glied vor der Feldherrnhalle, die Gesichter zur Theatinerkirche gewandt, und schweigen. Transparente gibt es außer vier Bannern mit Evangelistensymbolen nicht. Und das Infomaterial, das die international zusammengekommene Gruppe dabei hat, ist auf Latein und dient der Besinnung. Wie man sich zusammengefunden hat, verrät die Organisatorin auch nicht. Und so bleibt der traditionalistische Flashmob vielen Passanten ein stummes Rätsel. Und wohl auch manchen Teilnehmern. Worum es genau gehe, könne er auch nicht sagen, flüstert ein junger Mann. Aber weil eine Bekannte dorthin gegangen sei ... Wenig später gibt er sein Textblatt zurück. Die Anleitung zur "Acies ordinata", der ausgerichteten Linie, enthält den Text des kleinen Exorzismus.

Vor der Oper sind die Amerika-Verbesserer schon längst gegangen, als die Amerika-Kritiker aufbauen. Quasi als Probelauf für das, was in vier Wochen in München stattfinden wird, fordert dort die im Aktionsbündnis gegen die Nato-Sicherheitskonferenz organisierte Friedensbewegung: "Kein Krieg gegen Iran". Dem Aufruf "gegen den Kriegsbrandstifter Trump" und der Forderung: "Schluss mit der deutschen Beihilfe zu den Völkerrechtsverbrechen der US-Regierung" sind allerdings. nicht allzu viele Münchner gefolgt. Den zunächst etwa 30 Teilnehmern schlägt Wolfgang Blaschka, einer der Organisatoren, vor: "Warten wir noch fünf Minuten."

Es ist ein Samstagnachmittag in München. Statt der von Veranstaltern und Polizei ursprünglich bei allen Kundgebungen zusammen erwarteten 700 Teilnehmer sind nur etwa 200 Menschen aus vielen verschiedenen Ländern für ihre jeweiligen Überzeugungen auf die Straße gegangen. Für US-Ideale genauso wie gegen US-"Staatsterrorismus". Für religiös Verfolgten unter Ausschluss von Muslimen ebenso wie gegen eine Reform der eigenen Kirche. Nicht alle schweigend - aber alle friedlich, wie ein Polizeisprecher am Nachmittag sagt.

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