München:Das Geld wird knapp

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Die Erhöhung der Kreisumlage um 3,1 Punkte auf 48 Prozent belastet vor allem weniger potente Kommunen. Während das reiche Grünwald nur wenig murrt, müssen andernorts die freiwilligen Leistungen auf den Prüfstand

Von Stefan Gallerund Bernhard Lohr

Der Landkreis München ist gleichermaßen reich wie sexy - er wächst ohne Unterlass, die größten Firmen siedeln sich hier an, es kommen immer mehr Menschen in den sogenannten Speckgürtel rund um die Landeshauptstadt. Mit dem Erfolg wachsen die Anforderungen: Ständig beschließt der Kreistag den Bau zusätzlicher weiterführender Schulen, er hat eine Vorbildrolle bei der Flüchtlingshilfe übernommen, steigt mehr und mehr in Themen wie Wohnungsnothilfe, ÖPNV und Elektromobilität ein. Doch wer soll all das bezahlen? Letztlich bleibt es an den Kommunen hängen, die ihren Obolus in Form der Kreisumlage entrichten. Und die steigt 2018 um 3,1 Punkte auf 48 Prozent.

Im Finanzausschuss des Kreistages waren sich trotz eines engagierten Schlagabtausches letztlich alle einig. Der frühere Unterföhringer Bürgermeister Franz Schwarz (SPD) sprach von "Arbeit mit Augenmaß" durch die Kämmerei, Stefan Schelle, Rathauschef in Oberhaching und Vorsitzender der CSU-Fraktion im Kreistag, sagte, der Ansatz sei "realistisch und pragmatisch" und würde dem "Aufwand gerecht werden, ohne die Gemeinden zu überfordern".

Doch ist dem wirklich so? Können es sich vor allem die kleineren Gemeinden ohne große Gewerbeansiedlung mir nichts, dir nichts leisten, ein, zwei oder mehr Millionen Euro zusätzlich abzudrücken? Oder ist das Prinzip des Landkreises, immer besser und erfolgreicher zu werden, an Grenzen angekommen?

Jedenfalls nimmt man nicht in allen Rathäusern des Landkreises die Entwicklung gelassen hin. Die Kommunen haben auch vermehrt Aufgaben zu bewältigen. Sie erweitern oder bauen Grund- und Mittelschulen. Kindertagesstätten werden gebraucht und mit der wachsenden Bevölkerung steigt auch die Zahl derer, die Sport treiben. In Taufkirchen, Sauerlach und Brunnthal machen Bürger Druck, Millionen in neue Sportstätten zu stecken. Und die Lokalpolitiker fragen sich, wie das gehen soll. Taufkirchen zahlt jetzt wegen des höheren Kreisumlagesatzes 4,3 Millionen Euro mehr an den Landkreis, Sauerlach 150 000 Euro und Brunnthal 780 000 Euro. Geld, das Jahr für Jahr fehlt und die Spielräume einengt. "Man muss schon hinterfragen, was wir alles auf freiwilliger Basis machen", sagt Brunnthals Bürgermeister Stefan Kern (CSU). "Das ist leider bei den Leuten noch nicht angekommen."

Das klingt bitter. Und betrifft viele überhaupt nicht. Denn die Lage in den Kommunen des Landkreises ist sehr unterschiedlich. In Grünwald ist die Infrastruktur so top wie die Umlagekraft der Gemeinde. Die stieg in Grünwald von 2017 auf 2018 noch einmal um ein Drittel an. 36 Millionen Euro legt die Isartalgemeinde wegen der höheren Kreisumlage drauf und überweist nächstes Jahr 122 Millionen Euro, ohne dass aus dem Rathaus großes Murren zu vernehmen ist. Wie unterschiedlich die Befindlichkeiten in diesem auf hohem Niveau dennoch stark auseinanderdriftenden Landkreis sind, verdeutlicht die Aussage von Putzbrunns Bürgermeister Edwin Klostermeier (SPD). Seine Gemeinde hätte jene Million Euro, die sie 2018 mehr an Umlage zahlen muss, gut anderweitig verwenden können, etwa für Kitas. "Uns trifft die Million hart, wahrscheinlich härter als Grünwald seine 36 Millionen Euro mehr." Das wohlhabende, wenngleich nicht ganz an Grünwald heranreichende Pullach ist auch wegen höherer Steuerkraft 2018 mit acht Millionen Euro mehr dabei. Bürgermeisterin Susanna Tausendfreund (Grüne) äußert "Verständnis" für die Lage des Landkreises. Sie begrüße es auch, dass dieser "bei der Aufgabenerfüllung einen hohen Standard ansetzt". Bei der Umlage sei ein "vernünftiger Kompromiss" gefunden worden. Die Gemeinde habe viele Aufgaben, sei aber angesichts von 50 Millionen Euro Rücklagen nicht eingeschränkt.

Tausendfreund weiß freilich, dass der Landkreis die Gemeinden bei der Kreisumlage eigentlich noch viel kräftiger hätte zur Kasse bitten müssen. Wegen einer Umstellung der Finanzierung der weiterführenden Schulen müssen etwa 69 Millionen Euro aufgebracht werden, die an die Kommunen zurückfließen sollen. Der Posten wurde geschoben. Das Geld wird den Gemeinden zufließen, aber sie müssen die dafür geplante Kreditaufnahme über die Umlage selbst finanzieren. Zwar zahlen das dann vor allem die potenten Kommunen. Trotzdem wächst bei den anderen die Sorge, dass die Belastungen weiter steigen. So tun sich etwa in Haar ungewöhnliche Koalitionen auf. Bürgermeisterin Gabriele Müller (SPD) blickt ebenso wie CSU-Fraktionschef Dietrich Keymer besorgt auf die Entwicklung der Kreisausgaben. Der wachsende Personalstand ist manchem ein Dorn im Auge. Keymer rief zuletzt in den Beratungen des Gemeindehaushalts über politische Lager hinweg dazu auf, "sich mit den Parteifreunden auf Landkreisebene mal auseinanderzusetzen".

Jedenfalls sind die öffentlichen Haushalte derart in Bewegung geraten, dass selbst ein Bürgermeister im reichen Unterföhring warnende Worte findet und von Obergrenzen spricht. Wenn sich Andreas Kemmelmeyer (PWU) mit Kreisräten der Freien Wähler bespricht, gibt er denen gerne mit auf den Weg, sie sollten verhindern, dass die 50-Prozent-Schallmauer beim Kreisumlagensatz überschritten wird. Kemmelmeyer bezeichnet die Mediengemeinde mit ihren potenten Gewerbesteuerzahlern als "einen der Hauptsponsoren des Landkreises". 61 Millionen Euro werden 2018 überwiesen. Dass es trotz höheren Umlagesatzes unterm Strich 5,2 Millionen Euro weniger sind als heuer, hat seinen Grund: Beim Auf und Ab der Gewerbesteuer ging es nach dem Rekordjahr 2015 in dem für die Berechnung relevanten Jahr 2016 deutlich nach unten. Es war eben nur das Jahr mit den zweithöchsten Gewerbesteuereinnahmen der Geschichte. Die Erwartungen der Bürger sind laut Kemmelmeyer hoch. Unterföhring baut alles, wovon man in Taufkirchen, Sauerlach, Brunnthal oder auch Grasbrunn träumt: Einen Sportpark mit Hallenbad und eine weitere Grundschule, die wegen des Zuzugs gebraucht wird; das ist freilich in praktisch allen Landkreiskommunen der Fall.

Neubiberg kann sich finanziell mit Unterföhring nicht messen. Doch die Gemeinde ist seit diesem Jahr schuldenfrei und will investieren. In der Ortsmitte entstehen notwendige zentrale Einrichtungen für die Bürger. Rathauschef Günter Heyland (Freie Wähler) muss jetzt 2018 wegen des höheren Kreisumlagensatzes mit 3,2 Millionen Euro weniger in der Kasse auskommen. Ein Beinbruch ist das nicht. Aber ein spürbarer Einschnitt, der Heyland, der im übrigen selbst Mitglied des Kreistags ist, zum Nachdenken bringt. Die Ausgaben des Landkreises gingen "seit Jahren stets nach oben", sagt er. Jetzt komme die Rechnung für all die vielfältigen Beschlüsse auf den Tisch. Heyland wünscht sich, ohne sich selbst auszunehmen, ein größeres Kostenbewusstsein. In Neubiberg müsse jeder, der einen Antrag stelle, darlegen, wie sein Begehr finanziert werden solle. Solch eine Regelung fände Heyland auch für den Landkreis gut. Wenn man die Kosten nicht besser im Blick habe, werde der Punkt kommen, an dem "es kippt" und die Kommunen in Schwierigkeiten kommen.

Den Bürgermeister im ebenfalls schuldenfreien Brunnthal treibt um, dass irgendwann die Bürger nicht nur wegen fehlender Wohnungen oder Mehrzweckhallen bei ihm auf der Matte stehen. Sobald die Gemeinden über ihre Finanzkraft hinaus Aufgaben schultern, steht im Raum, dass die Bürger zur Kasse gebeten werden. Auch Kern weiß: Wütende Menschen trifft man dort an, wo wegen klammer Finanzen eine Straßenausbaubeitragssatzung eingeführt wird und Anlieger dann tausende Euro für sanierte Straßen berappen müssen.

© SZ vom 27.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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