Umweltschutz:Stadt will Bäume besser schützen

Lesezeit: 3 Min.

Die Stadt will strengere Vorgaben für Baumfällungen machen. (Foto: Stephan Rumpf)

Der Stadtrat attestiert den Münchnern eine hohe "Pflanzmoral". Trotzdem wird deutlich mehr gefällt als angepflanzt. Nun sollen die Schutzbestimmungen verschärft werden. Umweltschützer fordern jedoch mehr - vor allem bei illegalen Fällungen.

Von Julian Raff

Eine Abkehr vom Prinzip "Baurecht vor Baumrecht" hatten die Stadträte nicht im Sinn, als sie im Oktober 2023 die Verwaltung beauftragten, die 48 Jahre alte Baumschutzverordnung grundlegend zu ändern. Echte Verbesserungen soll die Neufassung aber bringen, nachdem das Regelwerk immer nur leicht modifiziert wurde, zuletzt 2013. Astrid Sacher, Leiterin der Baumschutzbehörde im Planungsreferat, und ihr Kollege Ulrich Uehlein stellten nun Grundzüge der Reform öffentlich vor. Der Entwurf wird im Frühjahr öffentlich ausgelegt, die Münchner sollen dann ihre Ideen beisteuern. Ein Stadtratsbeschluss könnte noch vor Jahresende folgen.

Räumlich wächst das Schutzgebiet, das etwas mehr als die Hälfte des Stadtgebietes erfasst, nur noch um rund zwei Prozent. Einen größeren Effekt verspricht dagegen die Verschärfung des wohl bekanntesten Kriteriums: Bis dato greift der Schutz ab einem Stammumfang von 80 Zentimetern in einem Meter Höhe, was etwa einem Durchmesser von 25 Zentimetern entspricht. Künftig fallen Bäume ab 60 Zentimetern Umfang (etwa 19 Zentimeter Durchmesser) unter die Verordnung. Das strengere Maß gilt bereits in Frankfurt, Hannover, Würzburg und sechs weiteren deutschen Städten. Einen noch engeren Grenzwert setzen mit 50 Zentimetern derzeit nur Rostock, Erfurt und Kaiserslautern. "Neupflanzungen wachsen so schneller in den Schutz hinein", hofft Sacher.

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Deutlich breiter will die Stadt den Schutzschirm auch bei der Art der geschützten Gehölze spannen. Dazu gehören künftig Obstbäume, von denen bisher nur sechs Arten geschützt waren, nicht zuletzt aber auch Kletterpflanzen - Fassadengrün spielt schließlich eine Schlüsselrolle beim Hitzeschutz. Die Umfänge werden bei vielstämmigen Gewächsen addiert, eine Strauchschutzverordnung soll so aber nicht entstehen, betont Sacher. Vielmehr soll ein Grenzwert für den Hauptstamm gelten, den man noch austüfteln müsse.

Überhaupt kündigen Sacher und Uehlein zwar strengere Kontrollen an, unterstellen ihren Mitbürgern aber ausdrücklich nicht, sie würden besonders gern oder leichtfertig zur Kettensäge greifen. Dort, wo dennoch Bäume für Bauvorhaben, aus Alters- oder Sicherheitsgründen weichen müssen und Ersatz möglich ist, bescheinigt auch der Stadtratsbeschluss vom vergangenen Herbst den Münchnern eine hohe "Pflanzmoral". Der Baumsaldo aus Fällungen und Pflanzungen auf Privatgrund liegt trotzdem um rund 2300 Bäume pro Jahr im Minus. Jene Bäume, die 2015 dem Frühjahrsorkan "Niklas" zum Opfer fielen, mussten Grundeigentümer dabei nicht nachpflanzen.

Nachdem es zuvor bei Stichproben geblieben war, kontrolliert die Stadt seit 2018 etwa 60 Prozent der Nach- und Ersatzpflanzungen für genehmigte Fällungen. Die Quote soll auf 100 Prozent steigen. In die anstehende Stadtratsdiskussion dürfte sich also auch die Kämmerei einschalten. Der Baumschutz braucht nämlich mehr Mitarbeiter - im Außendienst, aber auch an den Schreibtischen, auf denen allein durch die 60-Zentimeter-Grenze 10- bis 15 Prozent mehr Fällanträge landen dürften, wie Sacher schätzt.

Finanzieller Ausgleich, dort wo Ersatzpflanzung nicht möglich oder sinnvoll sind, wird mit der Neufassung deutlich teurer, allerdings nicht, um den Personalaufwand zu finanzieren. Die Mittel sollen künftig direkt in die Neupflanzungen auf öffentlichen Flächen gehen (die schon heute das Defizit bei den Privaten zum Teil ausgleichen). Die bisherigen Einnahmen aus dem Pauschalbetrag von 750 Euro pro Baum flossen vor allem in die Grünpflege. Je nach Größe, Zustand und Lage des Baums sollen nun vierstellige Beträge anfallen, meist zwischen 2000 und 5000 Euro. Grundsätzlich aber "wollen wir Bäume und kein Geld" versicherte Uehlein. Bauherren sollen also im Zweifel eher pflanzen statt zahlen - bis zu vier große Ersatzbäume, wo besonders prächtige Exemplare fallen müssen.

"Mehr Mut", fordert der Bund Naturschutz

Erste Reaktionen fallen gemischt aus: Arne Brach (Grüne) etwa, der als einer von 25 Bezirks-Baumschutzbeauftragten die Lage in der Ludwigs- und Isarvorstadt im Blick hat, sieht München mit der "überfälligen" Reform ins "obere Mittelfeld" deutscher Kommunen aufsteigen.

Strenger urteilt Martin Hänsel vom Bund Naturschutz (BN). Die 60 Zentimeter-Grenze gehe zwar in die richtige Richtung, völlig unzureichend blieben dagegen die neuen Ausgleichszahlungen. Die alte 750-Euro-Pauschale sei ohnehin "absolut lächerlich, nachgerade kindisch gewesen", aber auch der neue Betrag erreiche mit rund 5000 Euro für einen Großbaum gerade einmal ein Drittel des Betrags, den die Stadt für eigene Neupflanzungen und deren Pflege veranschlagt. Ein Ausgleich von 15 000 Euro pro Baum könnte nach Hänsels Einschätzung Bauherren schon eher zum Umplanen bewegen.

"Mehr Mut" fordert der BN-Geschäftsführer auch dort, wo der Baumschutz an die Grenzen des Baurechts stößt oder gar auf illegale Weise missachtet wird: Der Bußgeldrahmen von bis zu 0,5 Millionen Euro wird nicht einmal in Bruchteilen ausgeschöpft, wie auch das Stadtratspapier vom Herbst 2023 bestätigt. Dort heißt es auch, dass illegale Fällungen grundsätzlich nicht mit Entzug oder Verkleinerung des Baurechts geahndet werden können oder dass Beschränkungen beim durch Tiefgaragen unterbauten Raum rechtlich nicht durchsetzbar seien. Für Hänsel bleiben dies "Totschlagargumente", getragen von einer bequemen Rechtsauffassung. Die würde er gern gerichtlich überprüft sehen: Um die Rechtsprechung pro Baumschutz weiterzuentwickeln, müsse die Stadt "klagen und sich verklagen lassen. Es braucht Prozesse, auch verlorene."

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