Es hat schon eine besondere Symbolkraft, unter der Kuppel der Kirche ein breites Bündnis gegen die Abschiebung von Geflüchteten zu schmieden. Es ist aber auch nicht irgendeine Gruppierung, sondern zu den Erstunterzeichnern der Kampagne für ein Abschiebungsmoratorium zählen auch zahlreiche Kirchengemeinden, Klöster, der Verein "matteo - Kirche und Asyl", die Diakonie München und Oberbayern, der Bayerische Flüchtlingsrat, die Gewerkschaft GEW sowie Grüne, SPD und Linke. "Wenn derzeit Flugzeuge in andere Länder fliegen, sollten sie keine Geflüchteten transportieren, sondern Impfstoffe und Sauerstoff", sagte am Dienstag Linken-Stadtrat Thomas Lechner vor dem Altar der Lukaskirche im Lehel. Der Mitinitiator der Kampagne, die nun zunächst in München und Bayern und schließlich bundesweit an Fahrt aufnehmen soll, fordert wie die vielen Mitstreiter, dass zumindest während der Corona-Pandemie keine Menschen mehr aus Deutschland abgeschoben werden.
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Erst am Dienstag hätte es eine Sammelabschiebung nach Afghanistan geben sollen. Doch nach Angaben des Bayerischen Flüchtlingsrats wurde sie kurzfristig verschoben - wegen Sicherheitsbedenken im vom jahrzehntelangen Bürgerkrieg geschundenen Land. Seit wenigen Tagen ziehen die Nato-Staaten ihre Truppen aus Afghanistan ab, was das Land wohl noch gefährlicher macht. Zudem habe sich die wirtschaftliche Lage dort auch wegen der Pandemie laut Flüchtlingsrat "extrem verschlechtert". Stephan Theo Reichel vom kirchlichen Verein "matteo" betonte am Dienstag, dass bereits viele Menschen, die nach Afghanistan abgeschoben worden seien, mittlerweile gestorben seien - einige hätten aus Verzweiflung Suizid begangen. Das Festhalten der Regierung, Menschen während der Pandemie aus Deutschland auszufliegen, ist für Reichel völlig unverständlich: "Gerade ist wegen der Pandemie hier das Oktoberfest abgesagt worden und gleichzeitig wird abgeschoben."
Auch die Landtagsabgeordnete Gülseren Demirel (Grüne) empfindet die Abschiebepraxis als zynisch und unmenschlich. Während die Regierung sage, man solle sich vor dem Coronavirus schützen und nicht reisen, würden Menschen, die vor Krieg und Terror nach Deutschland geflohen waren, mitten in der Pandemie in ein Flugzeug gesetzt und in ihre ehemaligen Heimatländer geschickt, wo ihnen womöglich Folter, Tod oder Verelendung drohen. Sie erinnerte an einen Mann aus Pakistan, der im Januar seine deutsche Partnerin heiraten wollte und deshalb zur Ausländerbehörde ging. Dort sei er festgenommen und kurz darauf abgeschoben worden. Demirel verwies in ihrem Appell auf den ersten Satz des Grundgesetzes. Es heiße dort, die Würde des Menschen ist unantastbar - und nicht: "Die Würde der Deutschen ist unantastbar."
Doch diese Würde wird vielen Menschen vorenthalten. Die Münchner SPD-Bundestagskandidatin Seija Knorr-Köning appellierte an die Europäische Gemeinschaft, "dass wir nicht länger akzeptieren, dass Menschen vor unserer Haustür ertrinken". Sie sei stolz darauf, dass sich München zum Sicheren Hafen erklärt hat und bereit ist, mehr Geflüchtete aufzunehmen.