Moosach/Lerchenau:Vergessenes Fleckchen Erde

Lesezeit: 3 min

Am Eggarten blieb alles beim Alten, weil man annahm, dass die Siedlung dem Rangierbahnhof weichen muss. Nun soll das Idyll beendet werden. Auf dem Areal soll ein "qualitätsvolles Wohngebiet" entstehen

Von Anita Naujokat und Simon Schramm, Moosach/Lerchenau

Von oben betrachtet, präsentiert sich die Kolonie Eggarten südlich des Lerchenauer Sees als grünes viereckiges Quadrat, durchzogen von kleinen verstreuten roten und blauen Punkten - es sind Hausdächer und kleine Teiche oder Schwimmbassins. Spaziert man durch die Kolonie, durch die Daxet-, Marder-, Hasen- oder Rehstraße, könnte man fast daran zweifeln, dass man noch in der Hype-Stadt München ist: Statt auf Groß-Baustellen trifft man auf unasphaltierte Straßen und eine herrliche Ruhe.

Doch vor acht Jahren beschlossen die Eigentümer und die Landeshauptstadt München, diesem verträumten Dasein ein Ende zu bereiten. Auf dem Areal soll unter Berücksichtigung der bestehenden Rahmenbedingungen ein "qualitätsvolles Wohngebiet" entwickelt werden. Bis zur großen Stadtbezirksreform gehörte der Eggarten noch zu Moosach, in der jüngsten Sitzung des Bezirksausschusses (BA) war seine Stellungnahme zu zwei Empfehlungen aus der Bürgerversammlung in Feldmoching-Hasenbergl nur als Nachbar gefragt. Denn am 1. Januar 1996 wurde die Grenze Moosachs an den Nordrand des Rangierbahnhofs verlegt und die Siedlung Eggarten dem 24. Stadtbezirk zugeteilt.

Unasphaltierte Straßen, herrliche Ruhe: Hundert Jahre passierte wenig in der Kolonie Eggarten. (Foto: Florian Peljak)

Die bestehende Eigentums- und Nutzungssituation ist kompliziert: In der Siedlung existieren Grundstücke mit lebenslangem Wohnrecht der Bewohner sowie Gartengrundstücke und -parzellen zur gärtnerischen Nutzung. Dies resultiert zum Teil auch aus der Vergangenheit: Einst Mehrfelderbewirtschaftung, später Teil der Fasanerie der Wittelsbacher, stellte die bayerische Krongutverwaltung in den 1920er-Jahren die Fläche Siedlern in Erbbaupacht zur Verfügung, das 1999 enden sollte.

Fast wäre die Genossenschaftssiedlung komplett dem seit 1938 geplanten "Verschiebebahnhof" zum Opfer gefallen, der dann erst von 1986 an als Rangierbahnhof weiter westlich entstand. Von den 62 Häusern, die bis 1926 auf 84 Grundstücksparzellen gebaut wurden, stehen heute noch an die 20. Erschwerend für die Planungssituation kommt hinzu, dass manche davon offenbar in einem baulich schlechten Zustand sind, zumindest stellt dies das Planungsreferat in seinem Beschlussentwurf fest.

Von den 62 Häusern, die bis 1926 auf 84 Grundstücksparzellen gebaut wurden, stehen heute noch an die 20. (Foto: Florian Peljak)

Heute gehören zwei Drittel der Fläche der CA Immo, die auch den Rest vom Bundeseisenbahnvermögen erwerben und darauf 1250 Wohnungen bauen wollte. Die Verhandlungen, auch mit anderen Interessenten, zogen sich Jahre hin, einige Pächter waren verunsichert, wie es weitergeht, andere arbeiteten unbekümmert weiter in ihren Gärten. Den Zuschlag für das Drittel erhielt schließlich die Büschl Unternehmensgruppe. Beide Wohnungsbauunternehmen haben dann etwa ein Jahr lang miteinander ihre Pläne ausgetauscht und im Februar 2017 eine gemeinsame Entwicklungsgesellschaft gegründet.

Für Armin Ziegler (SPD), Vorsitzender des Unterausschusses Bau, Umwelt, Wirtschaft in Moosach, ist der Eggarten ein lange vergessenes Fleckchen Erde, an dem alle Planungen vorübergingen, auch weil niemand wusste, wie sich das mit dem Rangierbahnhof entwickeln würde. Klar sei, dass die fast hundert Jahre alten und seltenen Grundstücksstrukturen des Eggartens nicht eins zu eins ins Heutige übernommen werden könnten, sagte Ziegler. Doch die historischen Grundzüge sollten sichtbar bleiben. Die Forderung aus der Bürgerversammlung, den Eggarten komplett als ein Zeugnis vergangener Bau- und Lebensformen in seiner jetzigen Struktur zu erhalten, hält Ziegler indes für umso fragwürdiger, als die Geschichte in dieser Form nicht mehr vorhanden sei. Dazu seien schon zu viele Fakten geschaffen worden. Gerade im Hinblick auf die von den Grundeigentümern vorangetriebenen Fällungen. "Es gibt dort kaum erhaltenswerte Bäume mehr", sagte er. Auffallend sei jedoch, dass die Stadt viele Aspekte berücksichtigt haben wolle, einzig der historische Gesichtspunkt sei nicht darunter.

Die bestehende Eigentums- und Nutzungssituation erweist sich nun als etwas kompliziert. (Foto: Florian Peljak)

Die Moosacher Lokalpolitiker nahmen die Vorlage zur Kenntnis, in der das Planungsreferat den uneingeschränkten Erhalt ebenfalls ablehnt, ergänzt mit der Forderung, die Vergangenheit deutlicher zu vergegenwärtigen. Vorstellbar sei etwa ein kleines Doku-Zentrum oder eine Örtlichkeit, die dieses Idyll widerspiegelt, sagte Ziegler an anderer Stelle. Doch das überlasse man den Planern.

Aktuell würden die Entwickler mit dem Planungsreferat und anderen Fachdienststellen noch Voruntersuchungen abstimmen, etwa in Bezug auf Verkehr, Lärm und Artenschutz, teilte ein Sprecher der CA Immo mit. Ein Zeitplan für das Vorgehen sei in Arbeit, aber noch nicht final abgestimmt. Das Unternehmen geht davon aus, dass der Stadtrat über die Entwicklung erst im kommenden Jahr entscheiden wird; der Stadtratsbeschluss werde dann Grundlage für einen städtebaulichen Wettbewerb sein. Im Flächennutzungsplan ist der Eggarten noch als Bahnanlage und Gewerbegebiet ausgewiesen, zur Bebauung ist eine Änderung des Nutzungsplans und die Aufstellung eines Bebauungsplans notwendig. Bis das geschieht, sollen laut einer Ankündigung des Planungsreferats vom November 2015 der BA Feldmoching-Hasenbergl und die Öffentlichkeit an der Entwicklung des Eggartens beteiligt werden.

© SZ vom 16.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: