Moosach:Freiraum im Hundebauch

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Der Trojanische Dackel, eine mobile Kunstinstallation, soll die Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen in der Stadt sichtbar machen. Manche wünschen sich Orte der Kreativität, andere möchten einen ordentlichen Fußballplatz oder ein Kino im Viertel

Von Julius Bretzel, Moosach

Einen knappen Monat saß er mit gesenktem Kopf und hängenden Ohren auf der Wiese vor dem Pelkovenschlössl: der Trojanische Dackel. Die mobile Kunstinstallation zieht derzeit durch die Stadt und wirft die Frage nach Raum für Kinder und Jugendliche in München auf. Rund um den Wohnwagen mit hölzernem Dackelkopf finden Kunst- und Spielaktionen statt, deren Ergebnisse die Initiatoren mit den Stadträten teilen wollen, um sie darauf aufmerksam zu machen, was der Jugend in der Stadt fehlt.

Blickfang mit Schlappohren: Einen Monat lang stand der umgebaute Wohnwagen auf der Wiese vor dem Moosacher Pelkovenschlössl. Das Kunstwerk soll weiter durch München ziehen. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Etwas eckig und kantig ist der Hund ausgefallen, ein alter Wohnwagen mit einem großen Dackelkopf, Pfoten und einem Schwanz aus Holzplatten. Die Ohren bestehen aus alten Teppichen, von allen Seiten zieren Bemalungen und Schriftzüge die Installation. "Bezahlbarer Wohnraum ist die halbe Miete" steht dort zum Beispiel. Im Bauch des Hundes befinden sich künstlerische Arbeiten, die mal mehr und mal weniger politisch das Thema "Raum" aufgreifen. Sie stammen von Jugendlichen, die das Kunstwerk gestaltet haben, gemeinsam mit dem "International Munich Art Lab" (IMAL). Dieses verbindet Jugendkulturarbeit mit Kunstschaffen.

Kunstwerke von Jugendlichen zum Thema "Raum" füllen das Innere des alten Wohnwagens. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Die Idee für das Projekt kam vom Valentin-Karlstadt-Musäum, das im März eine große Dackelparade veranstaltet hat. Damals schon zog der Trojanische Dackel mit durch die Stadt und war danach bis Juli am Isartor zu sehen. Gebaut hat ihn der Künstler Steffen Haas. "Der Dackel war schon in den Zwanzigerjahren beliebt in Karikaturen", sagt er. Haas erklärt sich die politische Stellung und Beliebtheit des Jagdhundes mit dessen subversivem Charakter und seiner Sturheit: "Er macht, was er will, ist aber trotzdem toll - vielleicht ein bisschen wie die Bayern."

Die Installation soll einen Dialog über die Bedürfnisse junger Menschen in Moosach anregen. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Dieses subversive Element stelle die Verbindung her zum Trojanischen Pferd, das der Sage nach zum Untergang der Stadt Troja führte. Doch im Gegensatz zum hölzernen Pferd verberge sich im Bauch des Dackels keine zerstörerische Gewalt. "Er trägt die versteckten, unbequemen Wünsche der Leute in sich, die oft zu kurz kommen", fasst Haas zusammen - "die der Jugendlichen".

So stand die Dackel-Installation jetzt am Moosacher St.-Martins-Platz. Bei unterschiedlichen Aktionen wurde sie bespielt und weiter gestaltet und diente als Ort für Gedanken und Gespräche. "Es ging dabei um Raum in jeglicher Form und auch um die Frage, wie sich die Kinder und Jugendlichen ihren perfekten Raum vorstellen", sagt Benjamin Hilbig von der Freizeitstätte "Boomerang", die verschiedene Aktionen um den hölzernen Hund betreut hat. Bei der Abschlussveranstaltung vor dem Moosacher Pelkovenschlössl sind zahlreiche Bastel- und Spielmöglichkeiten um den Dackel aufgebaut. Kinder können aus Schuhschachteln Miniaturräume bauen, die sie für ideal erachten. Sie basteln kleine Theaterbühnen, Aquarien oder detailliert eingerichtete Wohnzimmer. "Wir sind viel im Gespräch mit Jugendlichen zwischen sechs und 19 Jahren", sagt Hilbig. "Manche wünschen sich ein Kino im Viertel oder einen anständigen Fußballplatz." Es gehe um Rückzugsräume oder Orte der Kreativität. Gerade für die Älteren sei auch knapper Wohnraum ein Thema. Jugendliche mit Migrationshintergrund forderten mehr Offenheit für andere Kulturen im Stadtbild.

"Die jungen Menschen fühlen sich oft nicht gut repräsentiert. Vielleicht werden ihre Vorstellungen durch die Aktion für die Politik greifbarer", hofft Benjamin Hilbig. Denn deren Ziel ist es, die Wünsche und Bedürfnisse der Kinder und Jugendlichen an die Münchner Stadträte weiterzugeben. Ehe es so weit ist, soll der Trojanische Dackel jedoch noch weiterziehen. Im Dezember wird er zunächst in einer IMAL-Ausstellung im Kreativquartier am Leonrodplatz gezeigt. Wohin er seine Tour durch die Stadt anschließend fortsetzt, ist den Einrichtungen, die das Projekt betreuen, noch nicht bekannt. Wenn es so weit ist, wird der Dackel auseinandergenommen und durch die Stadt gefahren. "Es ist ein Wunder, dass der Wohnwagen so überhaupt TÜV bekommen hat", staunt Benjamin Hilbig. Er ist gespannt, durch wie viele Stadtviertel der Trojanische Dackel auf seiner Münchner Gassi-Runde noch kommen wird, um den Wünschen der Jugendlichen Raum zu geben.

© SZ vom 30.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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