Modebranche in München:Online goes offline

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Lederhosen und Dirndl, moderne Trachten und Accessoires gibt es in Sonja Ragallers neuem Laden, der Ergänzung zum Internet-Auftritt. (Foto: Lukas Barth)
  • Das Modelabel Almliebe hat am Samstag einen Laden im Münchner Glockenbachviertel eröffnet. Bisher war es ein Online-Shop.
  • Immer mehr Internet-Anbieter von Mode- und Lifestyle-Produkten eröffnen eigene Geschäfte oder suchen sich Läden, die ihre Waren jenseits der virtuellen Welt verkaufen.
  • Dieser Artikel zeigt die Strategien einzelner Münchner Unternehmen auf.

Von Franziska Gerlach

Almliebe, der Name sagt schon viel über das Sortiment: Lederhosen und Dirndl gehören dazu, Kissen mit Berglandschaften und Rucksäcke. "Wir führen moderne Trachten und alpin inspirierte Mode", sagt Sonja Ragaller, die Geschäftsführerin. Spätestens wenn sie eine Cashmere-Trachtenjacke mit pinkfarben eingefassten Taschen herzeigt, glaubt man, dass sie ihr Sortiment mit Liebe zur bayerischen Heimat, aber auch mit Stilgefühl bestückt hat.

Nur eines ist kaum zu glauben: Almliebe.com war bisher ein Online-Shop - der seit Samstag etwa 20 bis 25 Prozent seines Angebotes in einem neuen, eigenen Geschäft im Glockenbachviertel verkaufen will.

Online goes offline: Das ist ein Phänomen, das sich immer mehr ausbreitet. Internet-Anbieter von Mode- und Lifestyle-Produkten eröffnen eigene Geschäfte oder suchen sich Läden, die ihre Waren jenseits der virtuellen Welt verkaufen. So war Bekleidung der norwegischen Marke Onepiece für Münchner bis vor kurzem nur im Netz zu erwerben.

Seit Anfang November betreibt das Label einen sogenannten Pop-Up-Store im Einkaufszentrum Mona in Moosach. Prominenter Vorreiter war der Mode-Online-Händler Zalando, der bereits 2012 einen Outlet-Store in Berlin aufmachte. Groß war zunächst die Verwunderung - und dann der Andrang.

Kommt der Kunde doch nicht ohne das Einkaufserlebnis aus?

War es das vielleicht schon mit der viel beschriebenen Übermacht des Internet-Handels?, fragte mancher in der Branche. Kommt der Kunde doch nicht ohne das reale Einkaufserlebnis aus, gerade in der Mode? Oder ist es einfach so, dass sich on- und offline aneinander annähern?

Ralf Mager, Online-Marketing-Manager von Lodenfrey, sagt: "Eine Trennung von on- und offline wird heutzutage nicht mehr akzeptiert." Dass im Internet bestellte Ware zum Beispiel nicht im Geschäft umgetauscht werden könne, verstünden die Kunden nicht mehr. Einer Studie des Instituts für Handelsforschung (IFH) in Köln zufolge ist der Online-Anteil am Umsatz im Segment Fashion und Accessoires von 6,2 Prozent im Jahr 2005 auf 18,9 im Jahr 2013 gestiegen.

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Eine Umkehr des Online-Trends will IFH-Geschäftsführer Kai Hudetz nicht sehen, das Gegenteil sei der Fall. Daran richten sich auch die großen Münchner Modehäuser aus. Lodenfrey etwa betreibt seit fünf Jahren einen eigenen Online-Shop. "Wir zeigen dort alles, was im Haus auch zu finden ist, aber nicht in der Tiefe", sagt Manager Mager. So gebe es zum Beispiel ein bestimmtes T-Shirt im Netz nicht in 30 Farben, sondern nur in fünf.

Ludwig Beck versucht eine Nische zu besetzen und bietet die annähernd 10 000 Produkte seiner Kosmetikabteilung "Hautnah" im Internetshop an - immerhin sind manche Düfte und Cremes deutschlandweit nur dort zu haben. Seit einigen Tagen können auch Kunden von Konen vom Rechner aus shoppen.

"Multichannel" nennt sich die Marketingformel, die sich auf die Annahme stützt, dass on- und offline nur noch miteinander funktioniert - wer wettbewerbsfähig bleiben will, muss auf allen Kanälen präsent sein. Manche Kunden informieren sich im Internet und kaufen dann im Geschäft ein, manche handhaben es andersherum, andere nutzen nur einen der Wege.

Konen schickt seinen Kunden im Netz bestellte Ware nach Hause - wer aber den "Click & Collect Service" wählt, kann den Einkauf eine Stunde nach der Bestellung im Stammhaus an der Sendlinger Straße abholen. Der Vorteil: Was dem Kunden gefällt, das kann er gleich mitnehmen. Den Rest der vorbestellten Sachen lässt er im Geschäft - und womöglich stößt er dort noch auf eine Alternative. In jedem Fall spart er sich den Weg zur Post.

Solche Angebote können Kunden binden, die Verhältnisse des Marktes drehen sie aber kaum um. Im Fall von Lodenfrey, erklärt Mager, werde das stationäre Geschäft allein schon aufgrund der Historie des Hauses wichtiger bleiben als der Online-Shop.

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Wer Kunden auf allen Kanälen bedienen will, braucht nicht nur Know-How

Ganz anders ist es bei Mode von Theresa: Als Susanne und Christoph Botschen im Jahr 1987 den Laden mit diesem Namen an der Maffeistraße eröffneten, wurde das Internet noch nicht für kommerzielle Zwecke genutzt. Heute ist das Zugpferd von Theresa der Online-Shop: mytheresa.com versendet Handtaschen, Schuhe und Mode in mehr als 120 Länder, der Umsatz des Shoppingportals ist um ein Mehrfaches höher als der des Geschäftes. Jedes Jahr wächst mytheresa.com um 40 bis 50 Prozent, seit einigen Tagen gibt es die Webseite sogar auf Arabisch.

Das klingt nach einer schönen Erfolgsgeschichte. Eines aber ist klar: Wer Kunden auf allen Kanälen bedienen will, braucht nicht nur Know-How, sondern auch ein entsprechendes Budget. "Da werden es Einzelkämpfer schwer haben", sagt Kai Hudetz vom IHF. Kleine Geschäfte und Boutiquen müssten mit ihren Stärken in Beratung und Kundenkontakt punkten.

Um auf sich aufmerksam zu machen, sei eine Internetseite aber allemal gut. Im Gerangel um die Gunst des Käufers mischen nun auch noch Online-Shops mit, die nur zeitweise im stationären Geschäft tätig sind. Manchmal belegen sie eine Verkaufsfläche für einige Tage, manchmal für einige Wochen, meist dienen diese Pop Up Stores als Experimentierfeld. "Das ist eine gute Möglichkeit, um auszuprobieren, wie die Marke ankommt", sagt Kim Richter, Marketingmanagerin von Onepiece.

Almliebe soll dauerhaft bleiben

Noch bis zum 21. März dauert die Stippvisite des norwegischen Labels im Mona, dann verabschiedet sich der Pop Up Store. Manchmal gibt es auch ein Wiedersehen, wenn Kunden in Internet-Shops gelockt werden sollen: So hatte die US-amerikanische Marke Gap wegen sinkender Umsätze ihr Geschäft an der Kaufingerstraße vor zehn Jahren aufgegeben. Als aber im Mai 2014 gap.de online ging, lud die Marke drei Tage lang zu einem Pop Up Store in die Müllerstraße ein. Zalando hingegen wird in absehbarer Zeit nicht nach München kommen. Es seien keine Eröffnungen geplant, teilt die Firma mit, "standortunabhängig".

Sonja Ragaller will mit Almliebe bleiben. Sie blickt sich um in dem Laden, der ihr eigener sein wird, mit Kunden, die sie selbst beraten wird. Angst vor neuen Aufgaben? Nicht doch. Überhaupt werde leicht übersehen, dass man auch für einen Online-Shop Ware kaufen müsse, sagt sie und lehnt sich an den Holztresen. Auf dem Tresen steht eine auf einem Antikmarkt entdeckte Kasse, daneben liegen Prospekte von Almliebe - und künftig zwei Tablets. Damit der Kunde im Laden schauen kann, was es online bei Almliebe noch alles gibt.

© SZ vom 07.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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