Mitten in Thalkirchen:Auf einen Schlag im Hier und Jetzt

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Manchmal tauchen entlarvende Dokumente aus grauer Vorzeit auf, wie jetzt zum Beispiel der Bescheid zum Betrieb des Isarwerks 1 von 1907

Kolumne von Jürgen Wolfram

Man sollte mal ausmisten, schon wahr. Doch eine innere Stimme mahnt: bloß nichts wegwerfen, denn irgendwann kehrt alles wieder. Hippie-Mode, Fotoalben, Rumtopf. Manchmal tauchen sogar Dinge auf, mit denen nun wirklich niemand mehr gerechnet hätte. Dokumente aus grauer Vorzeit zum Beispiel. Das Münchner Forum, das sich als Plattform zur Diskussion der Stadtentwicklung versteht, recycelt politisch gerade ein solches Relikt aus geduldigem Papier. Es handelt sich um den wasserrechtlichen Bescheid zum Betrieb des Isarwerks 1 von 1907. Dieses Regelwerk könnte man so interpretieren, dass der Golfplatz Thalkirchen niemals hätte genehmigt werden dürfen. Denn laut Bescheid von vor inzwischen 113 Jahren ist das städtische Gelände an der Isar "für die Allgemeinheit offen zu halten".

Nun ist Golf zwar ein Sport, der seit 1907 hierzulande enorm an Popularität gewonnen hat. Ihn mit öffentlichem Interesse gleichzusetzen, wäre dennoch kühn. Ob andererseits das Münchner Forum mit seiner Einschätzung richtig liegt, wonach die "verbindliche Rechtsgrundlage durch Zeitablauf keineswegs obsolet geworden" sei, bedarf wohl ebenfalls vertiefender juristischer Betrachtung.

Das Thema in die Gegenwart zu transferieren, entbehrt nicht einer gewissen Relevanz. Denn die Stadt und der Münchener Golf Club verhandeln gegenwärtig über eine Verlängerung des Pachtvertrags für die Neun-Loch-Anlage über das Jahr 2024 hinaus. Das Kommunalreferat hat mal 2030 als denkbares Ablaufdatum ins Spiel gebracht. Nähere Auskünfte: Fehlanzeige. "Die rechtliche Beurteilung für eine Verlängerung des Pachtvertrags sind noch nicht abgeschlossen", lässt die Behörde lediglich wissen. Weitere Angaben würden sich "aus datenschutzrechtlichen Gründen" verbieten. Dabei wäre vor allem der 1910 gegründete Golf Club an Klarheit interessiert; er wünscht wegen anstehender Investitionen Planungssicherheit.

Die Golfer würden das Münchner Forum wegen dessen Einwänden vermutlich am liebsten einlochen. Doch der Ball liegt nun mal auf dem Green und wird sich nicht durch einen Befreiungsschlag entfernen lassen. Ins Clubhaus dürfte erst dann Erleichterung einziehen, wenn dem wasserrechtlichen Bescheid ein ähnliches Schicksal widerfährt wie dem Paragrafen der Majestätsbeleidigung. Der wurde vom Bundestag vor zwei Jahren gestrichen, spät genug.

Für das Forum wiederum ist es nicht zu spät, seine Sichtweise zu überdenken. Denn die Hoffnung, der Golfplatz könnte sich in einen öffentlichen Park verwandeln, wird kaum in Erfüllung gehen. Viel wahrscheinlicher ist eine Zukunft der Flächen als Baulandreserve. So betrachtet, hätten die Kritiker der Stadtentwicklung dann erzielt, was man ein Eigentor nennt. Aber dieser Begriff stammt aus einer anderen Sportart.

© SZ vom 02.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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