Mitten in Solln:Rückblende in der Glücksspiel-Pause

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Was machen in diesen tristen Zeiten eigentlich die Zocker? Vermutlich sind die Gambler vom Münchner Südrand längst ins Internet abgewandert. Erinnerungen an den "Monarchen" werden wach

Glosse von Jürgen Wolfram

Was machen in diesen tristen Zeiten eigentlich die Zocker? Also jene Leute, die früher in Etablissements wie dem "Bistro 118" Geldspielautomaten fütterten, bis die Rotationswalzen glühten. Denen bei der Erwähnung von Begriffen wie Deutscher Lottoblock die Füße einschliefen. Die Warnhinweise à la "Glücksspiel kann süchtig machen" gar nicht erst ignorierten. Die ihre Gewinne nach ausdauerndem Druck auf die Tasten der "Cashanova" oder "Fruit Mania" in die Kneipe "No Limit" auf der anderen Straßenseite trugen. (Nein, in Solln stehen nicht nur formidable Villen und traditionsgesättigte Gasthöfe).

Vermutlich sind die Gambler vom Münchner Südrand längst ins Internet abgewandert. Ist ja sonst alles geschlossen, was Nervenkitzel verspricht. Insofern bleibt nur: Bet at home im Home-Office. Oder die fiebernde Gemeinde entdeckt im Filmarchiv den "Monarch". Das war ein sagenhaft reicher Mann, der kreuz und quer durch die Republik reiste, um ein gleichnamiges Automatenmodell zielsicher zu leeren. Er hatte herausgefunden, dass man nach einer gewissen Anzahl von Sekunden nur blitzartig die Stopptaste betätigen musste, um einen Hagel an Münzen auszulösen. Zum Aufspüren der blinkenden Kästen in Bars und Casinos ließ der autodidaktische Glücksritter auf Honorarbasis Scouts ausschwärmen. Städte pflegte er nach dem Inkasso in einem Mercedes zu verlassen, dessen Kofferraum vor lauter Gewicht fast die Fahrbahndecke berührte.

Es ist eine Weile her, dass ein Geldspielautomat dieser Provenienz an der Wand einer Gaststätte unweit des Ratzingerplatzes hing. Die filmisch aufgeklärte Jugend versuchte hier, das Konzept des Blinklicht-Regenten mit dem dicken Mercedes zu kopieren. Der war zu jener Zeit ein Idol wie sonst nur Bluesrock-Gitarristen vom Schlage Rory Gallaghers ("Bad Penny"). Denn er wies den Weg zur Finanzierung der nächsten Halben. Und lieferte einen Hauch Las Vegas mit.

Fast überflüssig zu erwähnen, dass die Glücksspiel-Industrie der Leckage in ihren Umsatzbilanzen nicht allzu lang tatenlos zusah. Wer heute glaubt, ein glückliches Händchen zu haben, sollte es vielleicht mal coronakonform mit Kochen versuchen. Dabei braucht man gleichfalls ein wenig Dusel, vor allem als Anfänger. Aber man hat nicht viel zu verlieren.

© SZ vom 27.01.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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