Mitten in München:Die lieben Nachbarn

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Im dicht besiedelten München entbrennt leicht Zwist über den Gartenzaun.

Von Berthold Neff

Die lieben Nachbarn eignen sich seit jeher mindestens so gut zum gnadenlosen Lästern wie die Arbeitskollegen. Man mokiert sich über die Zahl der Gartenzwerge, die Scheußlichkeit der pinkfarbenen Rosenkugeln oder den wuchernden Löwenzahn im Rasen genauso ausdauernd wie über die Fertigkeit des Mitarbeiters aus dem Büro zwei Türen weiter, gelegentliches Fernbleiben wegen Unwohlseins so zu legen, dass sich unter Nutzung des Feiertags in der Wochenmitte daraus ein wohltuender Kurzurlaub entwickelt.

Der starke Zuzug nach München und ins Umland bringt es allerdings mit sich, dass sich die Menschen noch enger auf die Pelle rücken müssen. Diese Nähe weckt zwangsläufig die Streitlust, die dann regelmäßig in einen veritablen Nachbarschaftsstreit mündet und so nicht nur die Gerichte auslastet, sondern auch das Überleben der Rechtsanwälte sichert. Aus der Gemeinde Pliening wird berichtet, dass der Mangel an geeignetem Bauland zwei Bauwillige dazu zwang, ihre Doppelhaushälften in unmittelbarer Nähe zu einer Odelgrube hochzuziehen.

Dem Gestank, der dieser Jauche naturgemäß entströmt, suchten sie durch Einbau von Absauge- und Belüftungsanlagen in allen Zimmern zu begegnen. Trotzdem wurde die Sache gerichtsmassig. Der Landwirt wollte es mit Brief und Siegel bescheinigt sehen, dass der Gestank seiner Odelgrube niemandem zugemutet werden kann. Letzten Endes könnte es darauf hinauslaufen, dass die Häuser abgerissen werden müssen.

Der Fall, der unlängst aus Harlaching bekannt wurde, ist ähnlich gelagert. Zwar geht es hier, da Odelgruben in München eher Mangelware sind, nicht vornehmlich um Gestank, aber dennoch um den Abriss einer Behausung. Ein junger Schreiner hatte seinem Sohn ein Baumhaus gebaut. Es fügt sich, aus hellem Holz gezimmert, recht harmonisch zwischen zwei Birken im Vorgarten. Fatalerweise neigt sich der eine Baum leicht über den Zaun, was mit sich bringt, dass auch das Haus hoch oben ein paar Zentimeter übersteht.

Jemand aus der Nachbarschaft konnte diesen Skandal nicht verwinden und schaltete die Lokalbaukommission ein. Die versicherte zwar, dass man gegen Baumhäuser generell keine Bedenken habe; dieses Haus sei aber "bauplanungsrechtlich unzulässig, weil es die festgesetzte Baugrenze überschreitet". Derzeit läuft die Anhörung, aber es ist nicht ausgeschlossen, dass eine Abrissverfügung ergeht. Andere Nachbarn wollen das verhindern und haben unter dem Motto "Rettet das Baumhaus" eine Unterschriftenaktion gestartet.

Was tun? Man könnte dem Nachbarn, der unter dem Anblick des Baumhauses leidet, auf die Schnelle Scheuklappen verpassen. In ein paar Jahren braucht's das nicht mehr. München wird dann so zugebaut sein, dass man selbst für ein Baumhaus keine Baulücke mehr findet.

© SZ vom 16.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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