Mitten in Harlaching:Kleine Nummern in den Amtsstuben

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Damals wie heute zählt es zu den Pflichten der städtischen Verwaltung, nach Wegen zum Triezen der Bürgerschaft Ausschau zu halten.

Von Stefan Mühleisen

Wie jedermann zu wissen glaubt, sitzen Bürokraten den ganzen Tag in ihren Amtsstuben herum und überlegen, wie sie die Bürger drangsalieren können. Allein, dass stimmt natürlich nicht, wie schon im 19. Jahrhundert durch die von Carl Zeller sorgfältig recherchierte Operette "Der Obersteiger" allgemein bekannt war. "Der Bürokrat tut seine Pflicht von neun bis eins! Mehr tut er nicht!", sangen auch die Münchner. Ganz genau gibt dies die Tatsachen jedoch nicht wieder, denn damals wie heute zählt es zu den Pflichten der städtischen Verwaltung, auch außerhalb des Büros nach Wegen zum Triezen der Bürgerschaft Ausschau zu halten.

Naturgemäß gilt das für jene Mitarbeiter, welche die städtische Straßen- und Hausnummernsatzung zu exekutieren haben. Es sind dies Hausnummernschildkontrolleure, die durch die Stadt patrouillieren, wie ein Brief vermuten lässt, den ein älteres Harlachinger Ehepaar erhalten hat. Der Absender: Kommunalreferat, "GeodatenService Hausnummern". Betreff: Vollzug des Bayerischen Straßen- und Wegegesetzes.

Es sei festgestellt worden, dass das Hausnummernschild schlecht sichtbar sei, schreibt da eine Frau, die ihre Unterschrift mit dem Zusatz "Tarifbeschäftigte im technischen Dienst" versieht und es sich nicht nehmen lässt, den Adressaten ein kopiertes Exemplar der städtischen Straßen- und Hausnummernsatzung als Geschenk beizulegen. Der Harlachinger Hausbesitzer erfährt also, dass an seinem Anwesen das Hausnummernschild schlecht sichtbar sei, weil es hinter einer Hecke hänge, es aber jederzeit gut sichtbar zu sein habe, da bei Hilfs- und Rettungsmaßnahmen unnötiger Zeitverlust vermieden werden solle. Höflich, aber fett gedruckt wird er da im Schreiben gebeten, das Schild zu versetzen - und obendrein darauf hingewiesen, die städtische Satzung verlange vom Eigentümer, die Hausnummernschilder "selbst anzuschaffen, anzubringen, zu unterhalten und zu erneuern".

Der Harlachinger liest all dies im Angesicht des kobaltblau emaillierten Eisenblechschilds mit der Nummer 7. Das ist mit seinem stolzen Alter von 83 Jahren nur acht Jahre älter als der Hausbesitzer selbst und macht ebenso wie er eine gute, zudem gestochen scharfe Figur, und es war immer gern gesehen von all den Besuchern und auch einem Notarzt in all den Jahren. Dabei ist das Schild durch Farbanstriche von Handwerkern, die nie eine große Nummer daraus machten, gleichsam mit der Fassade des Hauses verwachsen.

So musste also ein neues Schild angeschafft werden, das nun außerordentlich gut sichtbar am Zaun hängt. Denn das Team vom "GeodatenService Hausnummern" blieb hart in der Sache. Was die kleinen Nummern angeht, das weiß jedermann, ist die Münchner Stadtverwaltung ganz vorn dabei.

© SZ vom 02.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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