Mitten in Hadern:Orientierung im Corona-Winter

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In Zeiten, da alles anders ist, sucht der Mensch nach brauchbaren Hinweisen, wo man gerade steht und was noch zu erwarten ist. Das ist, wie ein Blick auf eine Schlange von Kaufwilligen zeigt, alles andere als einfach

Von Berthold Neff

Selbst in Zeiten wie diesen, in denen sich die Welt immer wieder neu orientieren muss, weil ein Virus sich zwischen die Menschen drängt, gibt es noch ein paar Gewissheiten. Eine davon ist, dass sich im Vorfeld großer christlicher Feiertage vor dem Lukullus-Laden mit polnischen Spezialitäten an der Guardinistraße sehr lange Schlangen bilden. In den Tagen vor Weihnachten war es zum Beispiel so, dass man auf dem Weg zur U-Bahn fast eine Minute brauchte, bis man an den brav und meist mit Mundschutz anstehenden Menschen vor dem Laden vorbei war.

Wer nun allerdings glaubt, dass die in München lebenden Polen, denen das Virus die Fahrt in die alte Heimat erschwert oder gar verbietet, nur mal schnell eine Brühpolnische erstehen wollten, ist falsch informiert. Weihnachten beginnt in Polen an Heiligabend mit der Wigilia, deren Name sich aus dem Lateinischen "vigilare", also Wachen, herleitet. Dabei wird traditionell ein Zwölf-Gänge-Menü dargeboten, und zwar ohne Fleisch. Das kommt erst an den nächsten Tagen auf den Tisch. Es musste also einiges eingekauft werden, um auch in der Ferne einen Hauch von Heimat in die Wohnstube zu zaubern, und in einem gewöhnlichen deutschen Supermarkt gibt es das alles eher nicht.

Wer allerdings anhand dieses Andrangs vor seiner Haustür ins Reich des Lukullus tippen will, ob nun Weihnachten oder Ostern vor der Tür steht, hat es schwer. Diesmal war es ja so, dass die Temperaturen eher frühlingshaft waren, Weihnachten in Weiß nur ein Wunschtraum blieb. Und zu Ostern musste man in den vergangenen Jahren durchaus damit rechnen, sich den Weg nach draußen durch Schneematsch bahnen zu müssen. In den vergangenen Jahren war es auch meist so, dass der erste nennenswerte Schnee erst dann fiel, wenn die Fußball-Bundesliga nach der Winterpause wieder startete, was dazu führte, dass die Bälle ihre Farbe wechselten und als rotes Rund über den weißgesprenkelten Rasen rollten, den die unterirdische Heizung nicht komplett ergrünen ließ.

Aber auch das ist in diesem Jahr anders, denn die Fußballer laufen bereits am 2. Januar auf, einige von ihnen also noch mit einem gewissen Silvesterkater an der Seite. Ob es da schon Schnee gibt, ob es bitterkalt sein wird im Stadion? Kann man jetzt noch nicht sagen, ist aber auch egal. Zuschauer wird es rund ums Spielfeld ohnehin nicht geben, und vor dem Fernseher ist es bei der Sportschau immer wohlig warm - vom kühlen Bier mal abgesehen.

© SZ vom 30.12.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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